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Die Sache mit dem Hubschrauber

Ich bin in meinem Leben viel geflogen – in der Schule sogar einige Male rausgeflogen. Für dieses so häufige Fliegen wurde ich oft beneidet. Wer dauernd bei der Lufthansa, beim Eier Franz (Air France) oder bei nicht recht vertrauenswürdigen asiatischen Airlines im Pferch sitzt, der sieht das anders – glauben Sie mir. Mein erster Flug war von Düsseldorf nach Athen, das war 1979, der Bomber selbst eine DC 10. Dann ab 1988 bin ich auch beruflich geflogen, innereuropäisch. Ab 1992 dann auch interkontinental. Ende der 1990er Jahren bin ich in den USA mal ins Flugzeug gestiegen und registrierte so nebenbei, dass da drei Leute in Uniform im Cockpit saßen. Ich dachte: „Scheiße, was ist denn das für ein alter Hobel hier“? In der Sitztasche dann des Rätsels Lösung, eine Boeing 727. „Alter“, dachte ich, „was mag die schon auf dem Buckel haben“? Ich habe ins so ziemlich allem dringesessen was fliegt. Von einer Dash 8 von Bombardier, über Fokker 50 und Fokker 100 (in Fachkreisen auch „Fucking Focker“ genannt), sämtliche 7x7er Boeings und sämtliche Airbusse. Embrayer und einige andere die ich vergessen habe, waren wohl auch dabei. Mein schlimmster, besser gefährlichster,  Flug war in einer Dornier 226 von Tainan (liegt auf Taiwan) nach Green Island (綠島). Das ist so eine Touristeninsel vor der Südküste. Da waren eine paar Batterien in Touristen-U-Booten zu beanstanden. Leider, vielleicht aber auch dem Universum sei Dank, konnten wir keine Probefahrt machen, weil irgendwas kaputt war. Besser so, weil die hatten sich alles an einzelnen Bleizellen unterschiedlicher Kapazität zusammengesucht, was sie fanden. Das war dann in Serie verschaltet und der Rest: Inschallah! Jedenfalls war das in der Dornier ein echtes Erlebnis. Als der Vogel abgehoben hatte, ging die „Klimatöse“ an und in wenigen Sekunden war die Sicht in der Kabine Null. Die Feuchte in der Luft war schlagartig zu Nebel kondensiert. Auf Green Island dann lagen da eine Menge Dornier 226 Wracks an der Piste. Als ich am Abend zurück in Taipeh unseren Terence (auch Bastard genannt), beim Abendessen fragte, was es denn mit den Wracks auf sich hätte, meinte der nur: „ich wollte es Dir nicht vorher sagen. Manchmal gibt es da Unfälle bei der Landung. Die Piloten sind welche, die bei keiner regulären Airline mehr einen Job bekommen, einige fliegen auch mal betrunken und so“. Na Danke, aber ich bin ja dem Universum sei Dank bei solchen Dingen ein total fatalistischer Mensch.

Kurz und knapp, kannte ich zwar Flugzeuge recht gut, war aber noch nie in einem Hubscharuber geflogen. Unser Herr Sohn allerdings schon. Nur hatten meine mir vom Universum anvertraute Gattin und ich dabei keinen Spaß, weil man unseren Filius nach einem Schlittenunfall im Taunus in die Klinik nach Höchst geflogen hat. Eine befreundete Mutter mit ihrem Sohn hatte den Unsrigen eines Samstags zum Schlittenfahren mitgenommen. Dann kam ihr Anruf, er sei verunfallt. Wir einigten uns darauf, dass ich fahre, meine Frau hütet das Telefon (Ja Kinder, es gab damals noch keine Mobiltelefone). Ich also Richtung Feldberg los. Ich bin anständig gefahren, habe mich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten, wie immer. Ich dachte, „es hat keinen Sinn wenn Du jetzt auch noch… „. Oben angekommen, war der Rettungshubschrauber da und unser Sohn kam ins Streckbett, Rückenverletzung. Ich sah ihn schon Querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Man flöge ihn jetzt aus. Wohin konnte man mir nicht sagen. Wahrscheinlich ins Klinikum Höchst, aber das entschiede sich erst in der Luft. Na toll, ich beruhigte unsere Freundin, denn die konnte schließlich nichts dafür, dass Unser über eine Wurzel brettert war, dann durch die Luft saust und irgendwo mit dem unteren Bereich der Wirbelsäule auf etwas draufknallt. Jedenfalls bin ich los, als es ihr etwas besser ging. Den Weg wieder zurück. Nur diesmal sehr langsam. Ich bin ein sehr rationaler Mensch. Ich kalkulierte immer nur, „gib denen Vorsprung, bevor wir im Krankenhaus ankommen. Das verkürzt die Zeit der bohrenden Ungewissheit für Deine Frau“. Da mir beten fremd ist und hoffentlich auch bleibt, vertrieb ich mir die Zeit damit mich auf alle möglichen Szenarien vorzubereiten, die da kommen könnten. Als ich zu Hause ankam und das verweinte Gesicht meiner Frau sah, ging es mir wirklich schlecht. Selbst der erfahrenste Fatalist kann erschüttert werden. Nachdem ich meiner Gattin die Situation weitgehend, unter Hinweis darauf, dass ein Verletzungsgrad noch gar nicht feststünde, erklärt hatte, machten wir uns auf nach Höchst.

Der Pförtner war schon informiert, dass da ein Junge eingeflogen worden war und wies uns den Weg in die Neurologie. Dort verbrachten wir gefühlt eine Ewigkeit mit warten. Dann holte uns die Neurologin, jung und ausnehmend gutaussehend – warum lag ich da nicht auf dem Tisch? –  in den Behandlungsraum, in welchem unser Sohn auf dem Tisch lag. Diagnose: wahrscheinlich gar nichts. Alle radiologischen Befunde, ohne Befund. Nur gehen könne er schlecht. Möglichkeit a) er bleibt da, Möglichkeit b) wir nehmen ihn mit und kontrollieren stündlich das Gefühl in den Oberschenkelinnenseiten um sicher zu gehen, das da wirklich alles in Ordnung ist. Wir nahmen logischerweise Möglichkeit b).

Als wir uns mit unserem Ableger auf die Socken machten, sagte ich dann zu meiner Frau: „immerhin hat er es geschafft als erster in der Familie mit einem Hubschrauber zu fliegen“. Daraufhin lachten wir das erste Mal wieder. Am nächsten Morgen bin ich dann mit ihm zu unserem damaligen Hausarzt nach Frankfurt gefahren. Das erste Mal lachte ich in der Frankfurter Töngesgasse, als unser Sohn wie eine alte Frau gekrümmt und unter heftigen Rückenschmerzen leidend aus dem Auto kroch, um sich anschließend wie ein Achtzigjähriger die Treppe hoch zu quälen. Das zweite Lachen kam, als nach unserem Bericht beim Arzt wegen des Unfalls, gefolgt vom Flug in die Klinik, dieser meinen Sohn anblickte und sagte: „ach Du warst das gestern“! Die Rechnung kam dann aber auch noch  Es waren so ungefähr 500 Mark, welche die hessische Bergwacht für den Flug aufrief. Dass es überhaupt eine hessische Bergwacht gibt – nicht lachen liebe Österreicher – war mir gar nicht klar. Logischerweise habe ich die auch bezahlt und die Rechnung dann bei der Techniker Krankenkasse eingereicht, welche den Betrag auch voll erstattet hat – kulanterweise! Jaja, ich weiß schon warum ich mich nie privat versichert habe.

Hin oder her, ich habe Jahre später meinen ersten Hubschrauberflug in New York gemacht. Mein Flug zurück nach Frankfurt ging Samstagsabend. Ich bin dann am Morgen zu den Manhattan Fährterminals runter und habe dort für 90 USD einen 30 minütigen Flug über Manhattan gemacht. Das habe ich mir gegönnt. Wiederum einige Jahre später war ich mit meiner Frau in New York. Wir haben uns die Stadt angesehen, die Kunstmuseen sowie die die Oper besucht und gegen ihren anfänglichen Widerstand den Hubschrauberflug gemacht. Noch heute schwärmt sie von dem Flug, aber die Geschichte unseres Hubschraubermitfliegers, die ist immer mit uns.

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