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Von einer Dokumentenübergabe, dem möglicherweise illegalen Erwerb eines Getriebes, Schiffbauern und Pfuschern

Vor 14 Tagen habe ich einem meiner Gesellschafter ein Schriftstück übergeben, und er mir seinerseits eines, das ich für eine notarielle Beglaubigung benötigte. Der Plan war, wir treffen uns am Donnerstag in Frankfurt. Ich weiß, das klingt verdächtig nach dem Soldat Schwejk, „wir treffen uns dann also nach dem Krieg um drei“. Aber in Zeiten mobiler Kommunikation ist das Ja kein Problem – dachte ich. Am Donnerstagmittag fanden wir nicht zueinander. Als wir dann um 17:00 h telefonierten, war ich schon an Frankfurt vorbei, nun denn, dann eben Freitag. Freitagnachmittag war er zu spät und ich zu früh, also wieder nix. Dann machten wir aus, dass er am Abend auf dem Weg nach Königstein in Bad Soden stoppt und wir die Dokumente tauschen. Gesagt, getan, gegen 18:30 h rief er mich an, dass er in 7 Minuten da sei und ob ich kurz runterkäme, er sei in Eile und müsste gleich weiter. „No problem“ also. Als ich nach unten zur Straße ging, dachte ich darüber nach, wo er halten kann und sofort wieder weiterfahren kann. Die Bushaltestelle gegenüber bot sich an. Nach 4 bis 5 Minuten trudelte er ein, ich begrüßte erstmal die ganze Familie und wir übergaben dann die Dokumente. Wieder oben in der Küche sagte ich lachend zu meiner Frau, „wenn das einer beobachtet hat, der glaubt wir haben da irgendwas illegales gemacht.“ Das wiederum erinnerte mich an das Getriebe.

Mein Kumpel Bernd hatte einen BMW 2002.  Bernd hatte ich durch meine damalige Freundin Martina kennengelernt. Er war eine Zeit mit Ihrer Schwester Erika liiert, was dann in die Brüche ging, weil die Erika lieber einen reichen Bäcker wollte, als den Bernd. Bernd war und ist ein toller Typ. Wir verstanden uns auf Anhieb und blieben trotz des Bäckers und meiner späteren Trennung von besagter Martina Freunde. So kann das Multiversum sein, es war in diesem Fall im Schlechten doch immer noch gut zu uns. Jedenfalls fuhr Bernd diesen BMW 2002, zumindest immer dann wenn der denn fuhr. Ich will mich hier nicht über BMW auslassen – ich bin da sehr befangen, denn warum soll ich einen BMW zahlen, wenn ich für meine Kohle nur einen VW bekomme? Jedenfalls hatte der „Bimmer“ irgendwann etwas Ernstes, denn das Schaltgetriebe kündigte an, in Bälde das zeitliche zu segnen. Nun ist es in den frühen achtziger Jahren so gewesen, dass es da kein Internet, ebay und kein Smartphone „hatte“. Somit war es eben nicht so wie heute, da gucken wir mal eben nach ob und wo man da ein gebrauchtes Getriebe herkriegt. Ein normaler Mensch hätte den „Bimmer“ – welcher Ja nicht neu war, denn der Bernd war nicht so reich wie der Bäcker – nun dahin getan wo er angesichts seines Alters hingehörte. Doch Bern liebte seinen „Bimmer“ und so besorgte er ein neues Getriebe. Wie er das damals ohne Internet und Mobiltelefon hingekriegt hat, entzieht sich dem Multiversum sei Dank meiner Kenntnis. Es bleibt für mich ein Mysterium. Also fragte mich Bernd ob ich ihm hülfe das Getriebe zu holen. Klar, macht man als Freund. Also, wir los und siehe da wir trafen in der Nähe meiner damaligen Bleibe – Wohnung ist eher das worin ich heute lebe – in einer Parkbucht an der Hermann Allmers Straße einen seltsamen Typen mit einem dicken Benz. Der Typ öffnete den Kofferraum und da lag tatsächlich das Getriebe drin. Gebraucht zwar, aber verhältnismäßig sauber. Die Kohle, ich glaube 200 Mark oder so, wechselte den Besitzer und wir wuchteten das Getriebe zu zweit aus dem Kofferraum des Benz in den des 2002. Dann bedankten wir uns artig und fuhren ab. Die Aktion muss ausgesehen haben als hätten sich Drogenkuriere zum Austausch getroffen. Jedenfalls fuhren wir mit dem Getriebe zur Garage von Bernds Vater und luden es aus.

Damit ist die Story aber noch nicht so ganz vorbei. Ich wusste immer nicht wohin mit der Geschichte die jetzt kommt, aber da sie mit dem BMW 2002 verwoben ist, kommt sie halt hier mit hin. Es geht um den Einbau des Getriebes, um Schiffbauer und Pfusch. Mein Vater, den das Multiversum leider schon früh (2005) zurücknahm, war Schiffbauer von Beruf. Irgendwie war er das auch mit Leib und Seele. Aber er war auch dem Pfusch nicht abgeneigt und meinte dann immer: „pfuschen muss man können, das ist wichtig, aber immer so gut, dass es keiner merkt.“ Noch dazu hatte er eine sehr hohe Meinung von mir. Wir hatten mal ein Haus, mit so auf Asphalt basierten Klinkerimitatplatten, komplett verkleidet. Das machten wir über Wochen jeden Samstag. Dabei fiel mir irgendwann auf, dass wir nicht so super effizient arbeiteten und ich schlug vorsichtig – man muss mit dem eigenen Vater immer etwas langsamer sprechen, muss mein Sohn auch – ein paar Modifikationen vor. Erst war er wenig begeistert, meinte aber nach einer Weile stillen Schuftens, man könne das ja mal ausprobieren. Gesagt, getan, der Vorschlag war ein durchschlagender Erfolg. Wir waren so schnell, das uns schon unheimlich wurde. Ich bin mir sicher, Frederick Winslow Taylor wäre stolz auf mich gewesen. Da mein Vater natürlich kein Dummkopf war, wir wurden für die Tagesleistung entlohnt, fingen wir von nun an früher aufzuhören. Als wir dann am Nachmittag schon früh bei meiner Mutter einschlugen und nach Kuchen verlangten, war die etwas überrascht, dass wir schon so früh kamen und er erläuterte dann warum. Seine hohe Meinung über mich viel dann so aus, dass er zu ihr sagte; „tja weißt Du, man muss immer mit einem möglichst Faulen zusammenarbeiten, der findet garantiert einen Weg wie man es noch einfacher machen kann!“ Soviel dazu, er hatte leider recht. Erstens ist das so, und zweitens war ich faul.

Beim 2002 nun bauten wir zu dritt, Bernd, sein anderer Kumpel – Schiffbauer von Beruf – und ich die Achse samt Motor und Getriebe aus dem Wagen aus und zogen das Ganze unten raus. Dann das alte Getriebe ab und das neue wieder dran. Als wir das Ganze wieder einbauen wollten, stoppte ich die Aktion, weil ich da so eine verdächtige, lange M12er Schraube in der Hand hielt. Das Ding war so singulär, dass es mich nervös machte. Jedenfalls wollte das Ding keiner ausgebaut haben und man war der Überzeugung, das würde dann gebraucht, wenn wir von oben wieder alle Verbindungen anbringen. Na, also bauten wir die ganze Chose wieder ein und als ich von innen den Schaltknüppel wieder hochzog war da nichts um ihn zu fixieren. Dem Schiffbauer viel dann ein, dass der Bolzen unter dem Fahrzeug durch einen Schacht einführt wird und der dann die Schaltknüppel hochdrückt – ergo hatte er das Ding ausgebaut, na super. Ich lag dann ca. eine geschlagene Stunde unter den Auto und versuchte im halbdunkel – auch durch eine Taschenlampe kann man nicht hindurchsehen – den Bolzen da hineinzufrickeln und das Gewinde zum Fassen zu bewegen, während Bernd von oben versuchte den Schaltknüppel in die richtige Position für den Bolzen zu bringen. Der Schiffbauer verabschiedete sich 10 Minuten nach seiner Offenbarung, weil er zur Schicht musste und wir werkelten weiter. Ich lag unter der Karre und fluchte in einem fort: „Scheiß Schiffbauer, verfluchtes Pack, alles Pfuscher… alles Pfuscher, scheiß Schiffbauer usf.“

Jahre später, ich malochte in den Semesterferien auf der Werft, ging ich einmal abends zum Abendbrot und auf ein Bier zu meinen Eltern und erzählte meinem Vater lachend, dass sein Kollegen an dem Tag auf der Helling Module zusammengestellt hatten und das die Dinger oben um ca. 30 bis 35 cm! differierten. Da wurde er auf einmal ärgerlich und meinte trocken, in einem Tonfall der mir klar machte, dass ich keine Ahnung habe: „ na und? Da kommen morgen die Schmiede und am Abend passt das zusammen.“ Am nächsten Morgen kam ein kleiner älterer Herr mit weißem Helm (Meister oder Ingenieur laut Werfthelmhackordnung), der nichts außer einem Stück Kreide dabei hatte. Er lief durch die Module und malte runde und ovale Kreidekreise, sowie ein paar kryptische Zeichen an Wände, Decken und Böden. Dann kamen mehrere Trupps mit Gasbrennern, Setzhämmern und Vorschlaghämmern. Danach knallte es den ganzen Tag und am Abend passten die Module zusammen. Dann rechnete ich mal nach, dass 30 bis 35 bei einem 25 Meter hohen Schiffsmodul gerade einmal 1 bis 1,5 % Toleranz ausmachen. Dieses Erlebnis hat meine Einstellung zu Toleranzen erheblich verfeinert. Allerdings, Pfusch bleibt Pfusch.

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