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Was Hundescheiße und Schweinejauche verbindet

Am vergangenen Sonntag bin ich zum Bäcker gelaufen wie sonst auch – Corona hin oder her. Auf dem Rückweg vom einzig brauchbaren Bäcker im Umkreis von 3 Meilen (was eigentlich eine eigene Geschichte werden sollte) in unserem kleinen Taunusstädtchen, kommt man an der anderen Ecke der Arkaden an einem weiteren Bäcker vorbei. Nennt sich „Wiener Feinbäckerei Heberer“. Na ja, das ist so einer der – ich nenne sie so – Luftbrötchen verkauft, viel Volumen, wenig Wareneinsatz. Also ganz im Gegenteil zu denen vom Café Merci gegenüber, die ja meiner Ansicht nach Steine verkaufen, also wenig Volumen, dafür jede Menge Wareneinsatz, was wohl statt der Qualität den Preis erklären soll. Aber darum geht es hier nicht. Wie gesagt, Corona. Beim Bäcker war die Schlange vor der Tür so um die 25 Meter lang. Sprich, es standen angesichts des Corona-Virus um die zehn Leute an und zwei waren im Laden. Das hat gut funktioniert. Beim Bäcker am anderen Ende der Arkaden standen auch Leute an, was mich veranlasste die Straßenseite zu wechseln und dort den Weg fortzusetzen. Als ich auf der Höhe des Wiener Feinbäckers – wenn ich Bürgermeister der Stadt Wien wäre, würde ich die Hunde verklagen – hörte ich einen Vater laut mit seinem Sohn schimpfen:

„pass doch auf, musst Du in die Hundescheiße reintreten, immer passt Du nicht auf, guck doch wo Du hinläufst“, und so fort. Der Junge tat mir ehrlich gesagt echt Leid, er hatte mein vollstes Mitgefühl, weil der hier wohl nicht zum ersten Mal der Depp war und zum Deppen erklärt wurde Das ging mir früher auch oft so und darum hasse ich es, wenn ich so etwas mitbekomme. Dann machte es wieder einmal „zoom“ in meinem Kopf und ich fragte mich, warum der Mann sich über seinen Sohn echauffierte, anstatt sich über den Drecksköter aufzuregen, der die zwei Monsterhirsehaufen da hingemacht hatte und die Ratte von Hundebesitzer, der den Haufen da so einfach hatte liegen lassen.

Als ich meiner Frau die Geschichte erzählte, viel mir wieder ein warum ich so betroffen reagiert hatte. Dazu müssen wir eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit zum SA-Führer und seiner Frau machen. Die wohnten als ich so Anfang der Pubertät war in Ratzeburg, welches in Schleswig-Holstein liegt und sogar ein eigenes Kennzeichen: RZ für Kreis Herzogtum-Lauenburg hat. Jedenfalls wohnten meine Großeltern in einer Wohnung oberhalb des Sees, man könnte auch sagen, am See. Das Gebäude war ein monströser Klotz aus Beton der an der Oberseite ein Stauwehr inklusive Turbine zur Stromerzeugung – Ja liebe Grüne, so etwas gibt es in der Tat schon länger – hatte, gefolgt von einer oberen und einer unteren Wohneinheit. Hintendran zum See war dann noch eine Kleinlandwirtschaft mit Schweinen dran. Danach kam ein Weg und von dort zum Bootssteg waren es nur noch 20 Meter. Der SA-Führer hatte da ein Boot liegen, welches er mit zwei LKW-Bleibatterien zu 24 V verschaltet fuhr. Ich fand das immer lustig wenn er sich mit Schwindel, Trichter und Batteriewasser wie ein Derwisch um die zwei scheiß Batterieblöcke kümmerte. Damals wusste ich noch nicht, dass es genau mal mein Schicksal sein sollte, diese wartungsintensiven Dinger in die Batteriehölle zu verdammen. Jedenfalls wohnten die Hausbesitzer des Betonmonsters oben und meine Großeltern unten in der Wohnung. Da mein Großvater wohl irgendwie einen Deal mit dem Hausbesitzer hatte, dass er sich um die Zuführung der Turbine – also der Reinigung des Zulaufs von Unrat und Naturrat wie Blättern und Ästen kümmerte, titulierte mein Vater ihn damals immer gegenüber uns Kindern und meiner Mutter als „der Kalfaktor“. Das hat ihm Spaß gemacht, seinen Schwiegervater so zu diskreditieren, da er doch Ende der Fünfziger Jahre als einfacher Schiffbauer nicht gut genug für meine Mutter war und nun der oberschlaue „Koofmisch“ Viktor den Kalfaktor machte, um an der Miete was zu sparen. Nun begab es sich, dass wir uns aus Anlass des SA-Führergeburtstags am 3. März eben nach Ratzeburg begeben hatten und dort das Wochenende verbrachten. Im Klartext hieß das, dass die Alten soffen wie die Löcher und laut Musik hörten – die jungen Leute heute glauben sie hätten das Feiern erfunden, wenn die wüssten wie harmlos sie sind, oh weh – und wir Kinder uns irgendwie beschäftigten. Ich nutzte diese Wochenenden immer aus um die Romane, häufig welche mit ziemlich viel Schweinkram drin, aus Viktors Bücherregal zu lesen und meine Schwester schlief dort wo unsere Eltern auch irgendwann bewusstlos niederfielen. Im Bücherzimmer des Viktors las ich so lange ich durfte, dann machte ich das Licht aus und wartete bis der Kontrollbesuch kam um zu gucken ob ich auch im Land der Träume war. Wenn die Kontrolle durch war, wusste ich nun kommt keiner mehr und dann machte ich mich über die Harold Robinsons dieses Universums her. Das macht so einen Jungen nicht atemlos liebe Helene, sondern erzeugt eher Atemnot.

Hin oder her, es war sehr kalt in diesem März und der Boden war zum Teil gefroren. Ich war am Samstagnachmittag mit meiner Schwester Susanne und unserem Cousin Klaus-Dieter draußen unterwegs, auf dem Gelände und am See. Anders ausgedrückt, ich war einiges älter als die beiden, ergo hatte man mir die Verantwortung für die zwei übertragen, das findet man zwar ziemlich suboptimal, kann sich aber dem nicht entziehen. Wir turnten also da draußen herum und irgendwann hörte ich Susanne weinen. Mein erster Gedanke war – verzeih mit Klaus-Dieter, aber Du warst schon eine klein Bazille damals – besagter Cousin hätte meiner Schwester was getan. Susanne stand aber allein auf weiter Flur etwa 15 bis 20 Meter von mir entfernt und plärrte. Als besorgter Bruder – und das war ich allezeit, ehrlich – rannte ich los zu ihr, aber nur die halbe Strecke, denn plötzlich war ich weg, einfach weg. Unter mir war nichts mehr. Meine Schwester war wohl fein zu Fuß über die zugefrorene Jauchegrube gegangen, welche man nicht erkennen konnte. Es sah alles gleich aus. Die cremige eingefrorene Schweinescheiße hatte sie ausgehalten und nur dazu geführt, dass ihre Füße in die Jauche eingesunken waren. Deshalb weinte sie, weil ihr der Dreck so bis an die Knöchel reichte. Mich hat die cremige eingefrorene Substanz nicht ausgehalten, in vollem Tempo bin ich bis kurz vor Ohrenspitzen in der Scheiße versunken. Eines kann ich glaubhaft versichern, wer das erlebt hat, der hält vieles im Leben aus. Nachdem ich mich aus dem Dreck befreit hatte, habe ich dann die zwei eingesammelt und wir sind zur Wohnung getrabt. Was ich dann alles zu hören bekam, das überlasse ich der Phantasie des Lesers – aber ich versichere es unter Eid, demütigend ist ein schwaches Wort für das was ich erfuhr.

Um es deutlich zu sagen, ich kenne das Gefühl, für einen Deppen gehalten zu werden, zum Deppen gemacht zu werden und gesagt zu bekommen das man ein Depp ist.

„Er nun wieder, so dumm kann ja nur er sein“, der arme Junge am letzten Sonntag.

Noch eines, heutzutage würde der Idiot mit der Jauchegrube heftig Ärger bekommen, weil er das nicht gesichert hatte. Leider erbarmt sich keiner der kleinen dreckigen Hundebesitzer und quetscht denen mal ihre Nase in die Haufen ihrer elenden Misttölen.  

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