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Etwas das Alabama und Aral verbindet

Ich weiß nicht ob meine mir von unserem Multiversum anvertraute Gattin mich noch liebt, wenn ich das hier aufschreibe. Aber es muss raus. Es gibt Dinge, die sollten nicht passieren, können aber passieren. Dann gibt es Dinge, die dürfen nicht passieren. Und dann sind da noch Dinge, welche nicht an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten passieren dürfen. Ich fuhr dereinst einen Alpha Romeo 155, mit dem bretterten wir immer nach Emden und Wilhelmshaven zu Oma, Opa, Tante und Onkel unseres Sohnes. Wenn ich den Alpha vollgetankt hatte, kam der recht ordentlich – ich fuhr damals noch ausschließlich Bleifuß, also so 220 km/h wenn denn erlaubt – von Emden nach Liederbach und am nächsten Morgen noch ins Büro. Mittags tankte ich dann wieder voll. Eines schönen Sonntags fuhren wir wieder von Emden nach Liederbach. Allerdings war es an dem Tag extrem stürmisch. Das kostet bei hoher Geschwindigkeit auf dem platten Land reichlich Sprit extra – wie ich heute weiß. Am nächsten Morgen fuhr ich ins Büro und auf der A66 kurz vor der Ausfahrt Hanau Nord, fing mein Alpha an zu Rucken und zu Zucken – Tank leer. „Sch…“, dachte ich und fuhr instinktiv gerade noch von der Autobahn ab. Ich rollte bis zum Ende der Abfahrt und hielt dann im Gras an. Damals hatte man kein Google Maps, also ging ich aufs Geratewohl los und fand nach 15 bis 20 Minuten Fußmarsch eine Tankstelle. Auf dem ganzen Weg den ich lief, ging mir der Song „I‘m walking“ aus der Aral Werbung nicht aus dem Kopf. Ich erwarb für eine horrende Summe einen 5 Liter Kanister und füllte ihn anschließend mit 5 Liter bestem Superbenzin, bezahlte und machte mich auf den Rückweg. Noch auf der Tankstelle fragte mich ein freundlicher Herr:

„ist das Ihr Alpha da oben an der Abfahrt?“ Ich bejahte und der freundliche Herr gab mir einen „free hitch“ bis zu meinem Auto. Natürlich kam ich zu spät ins Büro und alle grinsten, die wussten Ja schon Bescheid, dank C-Netz Telefon im Auto.

Im Jahre des Herrn – hat sich schon mal jemand gefragt, welcher Herr das sein soll? – 2012 habe ich mit meiner geliebten Frau eine Südstaatenreise durch die USA gemacht. Flug nach Jacksonville und dann mit dem Mietwagen los. Ich hatte, ich will meiner Frau Ja schließlich auch viele Gefallen tun, einen FORD Mustang Convertible gemietet. Eigentlich bin ich Ja der Auffassung, dass die Griffe an amerikanischen Autos dafür da sind, damit man sie bequemer wegschmeißen kann. Oder anders ausgedrückt sollte man die Dinger immer gleich von der Fabrik in die „Recycling Plant“ fahren. Wir fuhren über Augusta, Atlanta, Huntsville Alabama (ich musste mit aller Gewalt in das dortige Space Museum rein), Nashville, Memphis, Little Rock nach Dallas. Von Dallas, über Austin, San Antonio nach Houston. Von dort dann über La Fayette und Batton Rouge nach New Orleans. Das war eigentlich der krönende Endpunkt der Reise und wir hatten 2 Tage weniger benötigt als geplant. Nach 2 ½ Tagen in New Orleans ging es dann weiter. Wir fuhren am Morgen aus der Stadt, stoppten für‘s Shopping an einer riesigen Mall und fuhren dann ohne Ziel Richtung Panhandle (Florida). Irgendwann – meine geliebte Gattin fuhr – hörte ich ein Geräusch im Auto und meinte zu ihr:

„das Auto hat gerade irgendwas gemeckert.“

Sie flötete: „nee, da ist nichts, alles normal!“

Soweit so gut, bis nach etlichen Meilen auf dem öden „Turnpike“ das Auto ruckelte. Da ich dieses Ruckeln vom Alpha kannte, wusste ich sofort was los war und was der Gong viele Meilen zuvor bedeutet hatte. Meine Frau sagte, als sie realisierte was los ist, nur:

„oh“. Das war dieses Oh, welches bedeutet: ich habe Scheiße gebaut. Ich sagte nur:

„Automatik auf N, Warnblinker an, rechts auf den Standstreifen und soweit wie möglich ausrollen lassen“, denn ich hatte kurz vorher aus dem Augenwinkel wahrgenommen, dass da eine Ausfahrt angekündigt wurde, mit den üblichen 1 ½ Meilen. Als wir standen, fragte sie:

„und jetzt?“ Ja, was jetzt? Was soll man schon machen, wenn man die Karre auf der Autobahn inmitten Alabama leergefahren hat. Das ist in etwa so als würde man im übelsten Viertel Detroits von der Autobahn abfahren, anhalten, das Fenster öffnen und lauf rufen:

„kann mich mal jemand überfallen?“ Na kurz meinte ich nur:

„ Fenster auf, Dach zu, Radio aus, Zündung aus“, nur nicht auch noch riskieren die Batterie zu verlieren. Und dann sagte ich:

„dann mache ich jetzt mal, I´m Walking“. Wieder diese blöde Werbung. Ich machte mich also auf die Socken. Vorher war da aber noch eine völlig irrationale Handlung. Ich holte aus meiner Rolle Dollarnoten eine 20 Dollarnote raus und steckte sie mir in die Brusttasche meines Hemds, so nach dem Motto, man kann ja nie wissen. Fragt sich nur was man nicht wissen kann. Also marschierte ich los, das Schild ¾ Meile konnte ich sehen, also noch gute 2 km plus. Nach ca. 500 m hielt vor mir ein Auto auf dem Standstreifen und eine Dame stieg aus, sie holte die Oma vom Beifahrersitz und verfrachtete sie zu den Kindern auf die Rückbank. Sie bedeutete mir ich solle vorne sitzen und brachte mich zur Tankstelle an der Ausfahrt. Doch nicht alles schlecht in den Südstaaten, in Alabama? Aber ich bin ja auch ein Weißer. Ich kaufte an der Tankstelle einen 2 Gallonen Kanister und füllte ihn mit bestem Benzin. Somit brach die Frage an, wie den Rückweg antreten. 500 bis 600 m bis zur Auffahrt, plus gute 2 km zum Auto. Ich sah mich auf der Tankstelle um, nur Frauen, ein Mann war gerade abgefahren. Die Damen wollten mich verständlicherweise nicht mitnehmen – Alabama halt. Ich hatte aber gesehen, dass ein ziemlich gefährlich aussehender Typ, mit einem hornalten Nissan bewaffnet, gerade getankt hatte, als ich aus der Tankstelle rausging. Der Typ hatte so kurz getankt, dass es eigentlich logisch war, der hatte keine Kohle. Als er wieder aus der Tankstelle kam, laberte ich ihn an, ob er wüsste wie viele Meilen die nächste Ausfahrt gen Westen auf dem Turnpike entfernt sei. Er meinte, so was bei 8 bis 10 Meilen. Dann, lebensmüde wie ich bin, haute ich ihn auch noch an, ob er mich hochfahren, drehen und bis zum Auto bringen könnte, dabei zog ich die bescheuerten 20 Dollar aus meiner Hemdtasche. Glauben Sie mir, der Mann hatte ein Leuchten in den Augen, als den alten Jackson auf der Note sah, sagenhaft. Mein Risiko war groß, der Typ sah echt nicht so aus, als wenn man mit ihm Kirschen essen wollte. Außerdem war ich ein lohnendes Opfer, links ein dickes Portemonnaie mit Euros und Dollar, rechts noch mal 150 bis 200 Dollar in der Geldklammer. Scheißegal, es war heiß, wir wollten weiter und wo kein Risiko, da hat man hinterher auch nix zu verzählen! Der Mann war einverstanden und ich stieg in seinen Nissan ein. Er meinte das sei das Auto seiner Schwester, hätte den gerade sauber gemacht und müsse was für seine Schwester erledigen, blah, blah blah. Eines viel mir in dem Auto auf. Das Ding hatte mindestens 15 Jahre auf dem Buckel und war sauber wie ein Neuwagen, so sauber war noch kein Auto in dem ich je saß – unglaublich. Während der Fahrt dann das übliche,

„woher kommst Du?“

„Germany“.

“Ah, Germany, I have a cousin…“

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es überhaupt einen Amerikaner oder eine Amerikanerin gibt, die nicht mindestens einen Cousin in Deutschland hat. Ich machte also Smalltalk mit meinem neuen Freund, wobei ich auf dem Beifahrersitz saß, die Hose voller Angst, und hoffte er könne sie nicht riechen. Das Beste kam aber als wir rausfanden, dass wir beide 1960 geboren sind. Oh mein geliebtes Multiversum, er schlug sich mit der rechten Faust auf die linke Brust, wo bei uns Menschen das Herz sitzt – zumindest glauben wir, es sitzt dort, obwohl es weiter rechts zu residieren pflegt – und rief:

„yeah, you know? Texas from the heart!“

Hatten wir das also auch geklärt, er war aus Texas. So ging das lange 10 Meilen bis zur nächsten Ausfahrt, wo er drehte und in die Gegenrichtung wieder auffuhr, woraufhin ich mich etwas entspannte. Als wir dann aus er Ferne unseren blauen Mustang sahen, sah ich wie ein riesiger Pickup hinter meiner Frau anhielt. Aus dem Ding stieg eine Riese aus. Der Mann war mindestens 2 m groß, massig und – bitte einfach mal so hinnehmen, es geht hier um meine Gefühlslage –  schwarz, richtig tiefschwarz. Ich sah im langsam Näherkommen, wie er zu meiner Frau vorging und dachte,

„oh bitte Nein, nicht das, muss ich jetzt doch noch kämpfen, ich bin doch nicht Tarzan, der seine Jane retten will.“

Als wir dann näher kamen sahen wir, dass der Pickup von der „Alabama Roadside Asssistance“ war und ich entspannte mich wieder. Dann dachte ich gehässig,

„geschieht Dir völlig recht, wenn Du jetzt vor Angst in dem Auto stirbst, im Angesicht dessen wie dieser Baum da auf Dich zugeht! Hoffentlich ist Dein Herz durch die Hose, den Sitz und den Wagenboden bis auf die Straße gerutscht.“

Jedenfalls stoppten wir hinter dem Pickup, ich bedankte mich bei meinem neuen Freund aus Texas, gab ihm seine 20 Dollar und stellte mich bei dem Riesen vor. Der war – leider muss ich sagen – sehr hilfsbereit und holte einen Trichter, auf das wir dem Mustang neues Lebenselixier einfüllen. Nun kommt die Nummer mit dem Trichter und ich gebe mein Ingenieursdiplom nicht zurück, ich führe mein Versagen auf meine Aufregung zurück. Der Trichter ging nicht in die Öffnung des Tanks. Jener Mustang hatte einen automatischen Tankverschluss, da macht man einfach die Klappe auf und schiebt den Einfüllstutzen rein, nix drehen, nichts befummeln, Tankhandschuhe ade. Genial – ich frage hier einfach mal nicht warum das außer FORD keiner kann – nur in unserem Fall ein Hindernis, denn der Trichter ging nicht rein. Der Baum meinte, er sei ein „Engineer“ – im englischen Sprachraum heißt das eher so viel wie: ich kann einen Schraubendreher halten und weiß wie eine Zange aussieht –  und er hole Werkzeug. Dann haben wir mittels zweier Schraubendreher und unserer vier Hände erst die Sperre am Einfüllstutzen überlistet, dann den Trichter reingewürgt und dann das Benzin eingefüllt, wobei wegen des bescheuerten Trichters auch noch einiges Benzin danebenschwappte. Dann haben wir hingebungsvoll die Batterie und den Anlasser missbraucht und den Sprit durchgeorgelt, und als die Maschine wieder Elixier hatte, sprang der Mustang an. Ich bedankte mich artig bei dem Baum, gab ihm 10 Dollar Trinkgeld für seine Mühe und wir rauschten zu meiner Lieblingstankstelle in Alabama, um den Eimer ganz voll zu machen. Als ich auf der Tankstelle den Kanister nochmals in Ruhe betrachtete, kam mir der daran hängende „Nozzle“  in den Blick und ich betrachtete das Teil ausgiebig. Siehe da, hatten die Amis doch tatsächlich an dem Stutzen außen zwei kleine Nasen angebracht. Die Dinger schieben die Sperre des Tankstutzens auf wenn man ihn hineinschiebt. Oh großer Manitou der Ingenieure, der Trichter war das Problem gewesen, der Scheißtrichter hatte mich vorgeführt. Frau, den leeren Tank habe ich Dir schon lang verziehen, aber das ich da auf dem Turnpike vor mir selber wie der letzte Depp dastand, das arbeitet immer noch in mir. Während der Fahrt schwieg ich, ich schwieg einfach, was sollte ich auch sagen. Es gibt Dinge die machen sprachlos, besonders welche, die nicht an einem bestimmten Ort passieren dürfen.

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