Ich bin nun seit 2½ Jahren Opa. Heute bin ich sechzig und wenn ich über meinen eigenen Opa spreche, dann spreche ich über mehr als 100 Jahre Erinnerung, auch wenn meine eigene Erinnerung keine 100 Jahre zurückreicht. Mein Verhältnis zu meinem Großvater – ich meine den Nazihasser – war ein besonderes Verhältnis. Diese Erfahrung machte meine mir von unserem Multiversum anvertraute Gattin denn auch eines Tages. Mein Opa besaß eine Gartenlaube, in der ich als Junge viel Zeit mit ihm verbrachte. Die Laube war anders als andere Lauben. Baufällig, nicht sonderlich gepflegt, dafür aber äußerst ertragreich. In seiner Bude herrschte ein geordnetes Chaos und das Ding war ziemlich vollgestopft. Die Bude bestand aus zwei Teilen, also eigentlich aus zwei Buden. Im vorderen Teil waren Tische und ein paar Stühle. Dahinter waren alle möglichen und unmöglichen Dinge an der Wand gestapelt. Im hinteren Teil war Holz, Werkzeug und Material eingelagert. Auf einem der Tische im vorderen Bereich wurde Kaffee gekocht, Obst aufgeschnitten und Brote geschmiert. Klassische erfolgte das mittels eines Petroleumkochers, weswegen ich die Dingen bedienen kann, womit ich einstmals als ungedienter Zivi einen z12er überraschen konnte der so ein Ding von der Bundeswehr aus deren Altbeständen oder der Nato hatte, den aber nicht zum Starten kriegte. Man muss pumpen bis man Angst hat gleich platzt was, dann aufdrehen und erstmal flüssiges Petroleum in den Auffangring laufen lassen, dann zudrehen, anzünden und wieder aufdrehen, dann reißt die Flamme Gas nach und das Ding läuft. Besonders beliebt bei meinem Vater war das Nagelsortiment aus dem hinteren Bereich. Die Dinger waren samt und sonders verrostet und überwiegend krumm – vulgo gebraucht, vielleicht mehrfach, wer weiß! Brauchte mein Opa einen Nagel, dann suchte er ihn sich raus, kloppte ihn auf seinem riesigen Schraubstock gerade und verwand ich dann. Ganz hinten rechts befand sich ein sehr besonderer Ort, welcher unter den Namen Plumpsklo Legende ist. Keine Tür, nur eine Schamwand verdeckte das Ding. Darauf befand sich eine hölzerne Toilettenbrille auf der man Sommers wie Winters sehr gut sitzen und sein Geschäft verrichten konnte. In Griffweite Zeitungsteile und Gartenheftchen um sich die Zeit sinnvoll zu vertreiben. Daher wohl auch meine Meise, dass ich nur hölzerne Klobrillen daheim akzeptiere und niemals – aber wirklich niemals – ohne etwas zu lesen, meist Zeitung, fürs größere Geschäft zum Örtchen gehe. Sollte zu Hause einmal kein Zeitungsrest in griffweite sein, dann muss Adolfs „Mein Kampf“ herhalten. Das Ding lässt sich perfekt auf dem Lokus verwursten. Man steckt einfach seinen Finger rein und fängt an zu lesen. Manchmal wundert man sich über so viel Schwachsinn, ein anderes Mal wird einem vor Hasstiraden ganz schlecht und von Zeit zu Zeit ist man regelrecht erschrocken, wie manche Analysen auf die heutigen Problemstellungen in unserer Gesellschaft übertragbar sind. Läse man die Passagen einer Mehrheit clever aus dem Zusammenhang gerissen vor, man würde Jubelschreie nicht nur bei AFD-Wählern ernten. Kurzum, auf dem Lokus meines Opas roch es zwar etwas streng, aber trotz allem war der Ort gemütlich.
Als meine Frau und ich eines Tages meinen Opa in Bremen in seiner Laube besuchten, waren wir drauf und dran zusammen zu ziehen. Ich renovierte schon die Wohnung in dies es gehen sollte. Da wir beide aus einer festen Beziehung flohen, um zusammen zu leben und zu heiraten – die heikle Frage war da schon geklärt, denn ich gehöre einer Generation von Machern und nicht von „Dummsabblern“ an – hatten wir nicht alle Möbel zusammen, die man so braucht. Meine Frau hatte einen Küchenschrank, ich einen Wohnzimmerschrank und Sitzmöbel die wir einbringen konnten. Meine Anna hatte damals noch Kohle für den Teppich auf dem Sparbuch und ich für die Renovierung. Das größte Problem waren Tisch und Stühle für die Küche. Als ich also bei meinem Opa zum Örtchen ging um es mir gemütlich zu machen, registrierte ich an der Wand links in all dem Gerümpel ein paar Stühle. Nach meiner Sitzung – so nennen wir das in der Familie – bin ich dann auf dem Rückweg stehen geblieben um mir die Sache genauer zu besehen. Da standen 2 Stühle, eine Zweierbank und ein Tisch aus Stahl, in einem Design, welches seit den neunziger Jahren wieder en vogue ist, aber zumeist ziemlich billig gemacht wird. Kurz und klein, ich ging also raus zu meiner Frau die auf der Bank vor der Bude saß, derweil mein Opa irgendwo weiter hinten Obst für uns pflückte und sagte zu ihr: „hör mal, da drin auf der linken Seite steht eine komplette Sitzgarnitur mit Tisch, guck Dir die mal an, ob wir die nicht für die Küche gebrauchen können.“ Meine Frau schaute mich darauf etwas konsterniert an und meinte, „die gehört doch deinem Opa, da können wir doch nicht einfach so…“ Ich sagte, „Papperlapapp, guck Dir die an, wenn sie Dir gefällt, nehmen wir sie mit!“ Meine Anna ging also etwas widerstrebend nachsehen und kam wieder um zu vermelden, das sei schon eine gute Idee, nur das Holz sei schon etwas angegammelt. Ich machte ihr klar, dass man das Holz neu machen könne und wir das also mitnähmen. So richtig überzeugt war sie da immer noch nicht. Ich aber ging zu meinem Opa und sagte diesen einen Enkelsatz, „Opa, Du hast da drinnen so eine Gartengarnitur, Bank, Stühle und Tisch stehen…“. Woraufhin er erwiderte, „willst Du die haben?“ Und ich nur sagte, „Ja wenn Du sie nicht brauchst“. So ist das, denn nichts auf der Welt macht einen Opa glücklicher, als das der Enkel etwas von seinem Opa gebrauchen kann. Meine Frau war ein wenig überrascht ob dieser Beziehung zwischen Opa und Enkel, aber hat sich auch riesig gefreut. Wir haben dann das ganze Geraffel auf den Dachgepäckträger ihres Käfers – der sollte wohl besser ein eigenes Kapitel bekommen – geladen und am Abend von Bremen nach Emden gefahren. Leider habe ich davon kein Bild, denn damals gab es keine Smartphones. Wenn heute jemand mit so einem Turm auf dem Dach mit 120 km/h über die Autobahn fährt und erwischt wird, dann bekommt er Zuchthaus.
Ich ging dann ein paar Tage darauf in den Baumarkt, kaufte Limbaleisten und Farbe. Ein paar Tage darauf hatten wir astreine Küchenmöbel. Leider waren Armlehnen aus Holz wegen ihrer geschwungenen Form schwerer zu ersetzen, bis ich eines Tages meinem Vater davon erzählte und er mich bat ihm eine als Muster zu geben. Eine Woche später gab er mir mit der Bemerkung: „die hat Joke Simons für Dich gemacht“, sechs nigelnagelneue Armlehnen aus Teakholz. Da wurden meine Augen groß, Teakholz, damals, ein Schatz! Aber ich hatte weder die Kohle um Teakleisten zu kaufen, noch bekam man die an jeder Ecke. Jedenfalls bin ich dem Joke Simons, dem Vater eines Wasserballkumpels von Neptun Emden und Tischlermeister bei Thyssen Nordseewerke bis heute dankbar für die Lehnen. Die Garnitur wanderte nach Abschluss meines Studiums dann mit uns nach Liederbach und irgendwann nachdem wir neue Küchenmöbel angeschafft hatten auf den Balkon. Dann zogen wir in eine Doppelhaushälfte und Stühle und Bank kamen dort auf die Terrasse, der Tisch war defekt und musste weichen. Eines Tages habe ich die Holzleisten abgebaut und neu lasiert. Den Stahl habe ich auseinander gebaut und die Teile feuerverzinken lassen. Danach hatten wir wieder schicke Terrassenmöbel. Als wir 2010 nach Bad Soden zogen, zogen Bank und Stühle wieder auf den Balkon. Mittlerweile sahen sie aber nicht mehr wirklich schön aus und ich entschloss mich angesichts des Coronavirus die Dinger neu zu machen. Ich suchte lange im Netz nach Leisten, natürlich aus Teakholz, wenn schon denn schon. Irgendwann geriet ich bei meiner Suche an bootsholz.de aus Wusterwitz. Der bot richtige Sitzgrätingleisten an und ich bestellte neue Leisten. Als ich meiner Frau den Preis beichtete, war die Luft etwas aufgeladen. Das war ihr zu teuer, nur für ein paar Leisten. Als die Dinger dann da waren, wurde sie etwas gnädiger, aber seit die Dinger mit Teak Sealer behandelt auf einem Stuhl und der Bank sind, ist nur noch großer Friede übrig. Das ich für eine Dose Teak Sealer aus den USA, geliefert durch diverse Coronafährnisse von einem netten Spanier, nochmal glatte 75 Euronen, immerhin 10 % des Leistenpreises, berappt hatte, habe ich klugerweise erst erzählt, als das Zeug auf die Leisten kam. Hier noch ein kleiner Gruß an meine Freunde die „Ökoschwachmanen“, „Ihr seid alle samt und sonders Idioten mit Eurem lausigen Teaköl. Das Zeug ist Scheiße, das weiß jeder Bootsbesitzer, nur Ihr werdet es nicht mehr begreifen. So was schmiere ich nirgends drauf!“
Und nun die Opa-Verschwörung, das ist wenn Opa und Enkel über etwas nicht mit anderen reden. Das kam mir so, weil unser kleiner Jannis bei uns im Schlafzimmer mit unserer Wäschetrommel spielte. Irgendwann ´kam er auf den logisch nicht ganz abwegigen Gedanken, das Ding flach hinzulegen und sich darauf, um dann vorwärts zu rollen. Dass die Trommel aus dünnem Blech dann auf der offenen Seite flachgedrückt wird, konnte der Kleine Ja nicht wissen. Na, jedenfalls hat er mich ganz schuldbewusst angeguckt und ich bin hin und habe gesagt, „kein Problem, lass Opa mal machen, bringen wir das schnell in die Reihe bevor es jemand sieht und mit uns schimpft!“ Das ist Opa-Verschwörung, eine kleine zumindest, hoffen wir dass wir keine großen brauchen.
Was mir außerdem neulich noch in den Sinn kam, ich musste zu etwas Nein sagen und da braucht man Ja auch einen Grund , und das Einzige das mir einfiel war zu sagen, „ nee, Jannis das geht so nicht, wenn wir das machen, dann hat das einen negativen Einfluss auf den CO2-Footprint vom Opa.“ Und in Gedanken sprach ich leise zu meinem Alter Ego weiter: „und dann kommt irgendwann Habecks Grüne Staatspolizei und holt den Opa ab, um ihn ins Konzentrationslager für Umweltsünder zu bringen!
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