Was den Kapitän betrifft ist der eigentlich auch Lokführer oder irgendein anderer Beruf, den kleine Jungen irgendwann mal ergreifen wollen. Falls das heute noch so zutrifft. Ich frage nächste Woche mal meinen Jannis was er einmal werden möchte; momentan Handwerker glaube ich. Der Anlass für diese Geschichte ist eigentlich die Toilette. Oder nennen wir sie passenderer Weise Lokus. Das mein Opa in seiner Schrebergartenhütte ein veritables Plumpsklo hatte, habe ich schon irgendwo aufgeschrieben. Was ich bis dahin nicht aufgeschrieben habe, sind die Lebensverhältnisse meiner Großeltern in Bremen, Vohnenstraße 13. Kurioserweise ist die 13 in der Straße das einzige Haus gewesen welches im Krieg vorgeblich nicht zerbombt wurde. Soviel dazu liebe Amerikaner – Aberglaube ist ungesund, glaubt es mir. Die lebten dort im Souterrain des Hauses. Ein Flur, ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und eine Küche mit Zugang zum Hof, zur Toilette und zur Waschküche. Und Ja, liebe Kinder, das Klo, der Lokus, der war draußen. Im Winter ging man da hin, um ihn aufzuwärmen. Nix Heizkörper. Das Ding war so lang und breit wie die Außentreppe, die vom 1. Stock, ein Erdgeschoss im eigentlichen Sinne gab es nicht, in den Hof hinunterging. Der Spülkasten hing in der Küche oberhalb des Spülsteins (so nannte mein Opa das mit spitzem Stein die Spüle), damit das Wasser im Winter nicht einfror. Draußen war eine echte Porzellankloschüssel, sogar mit Brille mit Deckel aus Holz und zum Abziehen konnte man an einem Porzellangriff, der an einer Kette hing, ziehen. Im Winter war das bei Minustemperaturen so eine Sache. Meine Oma machte sich immer einen Heidenspaß daraus, die Hemden von meinem Opa, die draußen beim Trocknen eingefroren waren, in die Küche zu stellen. Wenn sie dann auftauten, fielen sie um. Jedenfalls hatte man im Prinzip bei der Benutzung des Lokus zwei Möglichkeiten. Variante eins ist die einfachste, man beeilt sich mit dem Geschäft. Variante zwei ist, man machte es sich gemütlich. Man verdaut den Schock am Hintern, von der kalten Klobrille und wärmt wie oben erwähnt die Bude auf bis es sich heimelig anfühlt. Mein Opa entschied sich meist für Variante zwei, wobei er Sommer wie Winters den Weserkurier mitnahm und las. Und was mache ich? Ja, ich nehme einen Teil der FAZ mit zum Abort und mache es mir gemütlich, die Zeit nehme ich mir. Dass das gesund ist, bestätigte mir dann vor über 30 Jahren die Lektüre des Scheißbuch’s. Problem an der Sache ist, dass meine Enkel das natürlich mitgekriegt haben, der Opa liest, wenn er auf dem Eimer sitzt. Meist, wenn die beiden bei meiner mir von unserem Multiversum anvertrauten Gattin und mir sind, bekommen die das mit. Meist versuche ich ein wenig die Ruhe des Ortes zu genießen und eine paar Zeilen zu lesen. Dann plötzlich geht die Tür einen Spalt weit auf und zwei Köpfe schieben sich durch den Spalt. „Opa, was macht Du da?“
Lesen, seht ihr doch“. Nun trug es sich zu, dass mein Enkel, 1 ½ Jahre älter als seine Schwester, sich zu Hause mit einem Kinderbuch auf den Lokus verkroch und sich Bildergeschichten ansah. Schuld? Ich, der Opa, wer sonst. Offen gesagt ist mir auch völlig wurscht, wer sich an welcher Stelle über diese meine Macke aufregt. Die Kinder finden das richtig toll, auf dem Topf zu lesen (im Sinne von anschauen).
Aber nun zurück zur Vohnenstraße. Die Wohnung hatte jedenfalls kein Bad. Eine Dusche wurde dort erst in den späten 70er Jahren eingebaut. Also keine Badewanne, keine Dusche, man wusch sich am Spülstein oder nutze öffentliche Bäder. So war das eben. Aber was macht man mit so einem rechten Dreckfinken wie mir, der ständig irgendwo herumstreunt und sich dreckig macht? Man setzt Kessel und Töpfe auf, bringt darin Wasser zum Kochen und kippt es dann in der Küche in einen Zinkzuber, fügt kaltes Wasser hinzu bis es angenehm warm ist. Dann setzt man den Dreckspatzen da rein und macht ihn sauber. Nur der Dreckspatz liebt das Wasser genauso wie seine Enkel und fängt dann an Kapitän zu spielen. Opas Elbsegler auf dem Kopf, war ich der Kapitän und der Zinkzuber war mein Schiff. Und als ich groß genug war, machte ich meinem Namen (meine Schwester nannte ihre Tochter immer Chaosqueen) Ehre, ich schaffte das, was mir niemand zugetraut hätte, ich brachte das Schiff zum kentern und flutete die Küche mit meinem Badewasser. Da war was los, kann ich sagen. Da war keiner mehr gut drauf, ich auch nicht, ich glaube ich habe geweint. Meine Oma rief nach meinem Opa und dann machten sich die beiden daran – in guten wie in schlechten Tagen – die Sauerei aufzuwischen.
Bleibt noch eine letzte Sache zur Wohnung. Selbstverständlich war im Wohnzimmer in der Ecke ein gusseiserner Ofen der mit Eierkohlen und Briketts betrieben wurde. Wo kommt man denn dahin, wenn man Öl und Gas nähme, die sind doch nicht grün -Scherz. Die Küche lebte im Prinzip von der Abwärme des Kochens und beheizte Schlafzimmer gab es nur in Neubauten und bei „Reichens“. Neben der Eingangstür war unter der Treppe die nach oben führte noch ein Verschlag. Das war so eine Art Vorratskammer mit einem Regal für Eingemachtes und ganz hinten war irgendwelches Gerümpel. Ich bin da nie wirklich rein, weil es mir zu dunkel erschien und die Spinnen zu groß und eklig waren. Die Einzige die da immer rein ist, war meine Oma. Diese Leute hatten mit nix einen Vertrag, dagegen sind Menschen meiner Generation schon die reinsten Weicheier. Was ist dann wohl mit der übernächsten Generation?
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