Wenn ich mich an meine Kindheit zurückerinnere, dann ist da schwach, also äusserst dunkel, eine Erinnerung. Irgendwann, ich weiß absolut nicht wie alt ich war, bekam ich eine Blockflöte. Ob es ein Geschenk war? Ob mir jemand seine Blockflöte übereignete? Ich weiß es wirklich nicht. Da stand ich nun, kurz wie ich war, mit dieser Blockflöte. Wenn man hineinblies, dann kam da ein Ton zum Vorschein, ehrlich gesagt, schön war der nicht. Wenn man dann mit seinen ungeschickten Griffeln irgendwie die Löcher zumachte und unterschiedlich wieder öffnete, dann veränderten sich die Töne, waren aber auch nicht schön.
Mit meiner Blockflöte spielte ich – ich meine spielen im Sinne von mit etwas spielen – denn nun ein paar Minuten herum und dann flog sie dahin, wo sie auch hingehörte, nämlich in irgendeine Ecke. Irgendwie muss mich das Thema nicht so ganz losgelassen haben, denn auf eine Weise war ich immer damit beschäftigt, einen Dummen zu finden, der dieses ominöse Instrument beherrscht. Eines Tages habe ich auch jemanden gefunden. Ich glaube, meine Erinnerung kann mich hier aber auch trügen, es war meine Tante Käthe, die Schwester meiner Mutter. Die war nun in der Lage auf dem Instrument eine Melodie zu blasen. Die Melodie war schön, die Töne aber immer noch grausam. Meine Blockflöte blieb die überwiegende Zeit, in der sie bei mir war, in der Ecke. Nur manchmal, manchmal blies ich nur so für zwei oder drei Minuten auf ihr herum, um sie wieder, frustriert ob der Tatsache, dass ich nichts hervorbrachte außer grauenhaften Tönen, in ihre Ecke zu befördern.
Das nächste Mal ist mir dann erinnerlich, dass mir eine Blockflöte bei meiner Schwester begegnete. Meine Schwester Susanne ist 7 Jahre jünger als ich. Ergo ist meine Erinnerung fester. Da meine Schwester nun einmal ein Mädchen ist, und nicht so ein musikerziehungsunwürdiger Knabe wie ich, bekam sie wöchentlich Musikunterricht. Dann schob sie immer mit ihrer Blockflöte ab, in Richtung irgendeiner vertrockneten alten Jungfrau, zum üben. Ab und an klopfte ich ab, wie denn der Fortgang so sei und ließ mir dazu von ihr etwas vorspielen. Die Töne waren immer noch grausam in meinen Ohren und darüber hinaus stellte ich – ich gebe es zu – gehässig fest, dass ihre melodischen Fähigkeiten nur ein paar Prozent oberhalb der meinigen lagen. Jedenfalls ist aus meiner Schwester keine Anne Sophie Mutter der Blockflöte geworden.
Fertig? Nein! Die Blockflöte begegnete mir noch einmal. Bei meinem eigenen Sohn. Ich gebe unumwunden zu, ich habe meinen Sohn gequält, körperlich und seelisch. Da ich ob meiner eigenen Erfahrungen, als zu blöde für musikalische Leistungen gehalten zu werden, der Ansicht war und bin, dass jedes Kind es verdient musikalisch unterwiesen zu werden, wenn es dies denn möchte, gab ich meine „Permission“ zum Blockflötenunterricht. Nicht ganz kampflos muss ich zu meiner Ehrenrettung anfügen. Ich wehrte mich heftig gegen die Blockflöte – nicht gegen den Musikunterricht als solches. Leider verlor ich den Kampf. Aber diskutieren Sie mal mit Ihrer begründeten Antihaltung zum Blockflötenunterricht gegen eine Handvoll aufgebrachter Mütter, die Männer grundsätzlich für kompetenzlos im Hinblick auf Erziehungsfragen halten. Da ich die Schlacht verloren gab, ging mein Sohn nun zum Blockflötenunterricht. Tröstlich war für mich nur, dass er erstens melodisch begabt ist, zweitens die Töne immer noch grauenhaft klangen und drittens, Häme über Häme, dass er keinen Bock auf das Instrument hatte. Mein Sohn spielt leidlich Gitarre, ein Genie wird er da wohl auch nicht. Macht aber auch nichts, denn er singt wirklich sehr gut. Auch die Stimme meines Ablegers. Und selbstverständlich beansprucht meine Frau, dass diese Gabe genetisch von ihr herrührt – sei’s drum.
Blockflöten hasse ich aber weiter, versprochen. Ich gelobe feierlich, dass ich für meine Enkel wie ein Panther gegen Blockflötenunterricht kämpfen werde. Bei meinem Sohn Till entschuldige ich mich für mein Versagen und die zugelassene Körperverletzung.
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