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Dörfliche Neugier

Ist mir suspekt. Ich bin in Bremen geboren, einer Stadt mit mehr als 500.000 Einwohnern. Vom 11. Bis zum 27. Lebensjahr war ich in Emden, sie wissen schon, dass Gerhard Seyfried sie „Befremden“ nannte? Emden hat so um die 60.000 Einwohner und ist somit eine Stadt, eine kleine Stadt meine ich, keine Kleinstadt. Und das alles bedeutet, dass ich ein Städter bin, und zwar durch und durch. Dies wiederum bedeutet, dass ich Klatsch hasse wie die Pest.

Meine Frau wiederum ist zwar laut Geburtsurkunde in Birkenfeld im Hunsrück geboren, aber in einem Dorf namens Leisel aufgewachsen. Dieses Dorf und auch die Dörfer rings herum sind für mich logischerweise alles Kuhdörfer. Selbst dieses Birkenfeld, wie auch Idar-Oberstein, beide mit rund 20.000 Einwohnern, sind für mich irgendwie keine Städte.

Meine Frau, Dorfklatsch und sonstigen unnötigen Informationsaustausch gewohnt, ist eine Managerin – eine gute dazu. Ich meine das Ernst, nicht im Spaß. Wenn meine Frau eine Bank managen würde, oder ein anders großes Unternehmen, gäbe es auf unserem Planeten weniger Menschen die hungern, weniger Krieg und weniger Leid, darauf würde sie nicht nur achten, sie würde es auch erreichen und vormachen wie es geht. Dies nur so nebenbei, für all die ach so großen Supermanager, die sich selbst für so toll halten, und meist eigentlich doch nur „Loser“ sind und gesunde Unternehmen in den Ruin treiben; aber selbstverständlich nicht ohne sich selbst die Taschen ordentlich voll zu machen. Meine Frau managt die Familie, sie ist unsere Vorstandsvorsitzende, unsere Außenministerin und meist dazu noch der Innenminister, wenn mein Sohn und ich im Clinch liegen. Da ich bei uns der Verteidigungsminister bin, muss sie immer aufpassen, dass ich nicht in meinem mir eigenen Zorn einen kleinen Krieg anzettele. Dies bezieht sich nicht auf die Nachbarn, mit denen komme ich gut aus, aber auf Behörden und Firmen die mich bescheißen, oder es versuchen zu tun.

Wenn man im dörflichen Klatsch und der permanent drohenden Neugier des Dorfes überleben will, ohne das der gute Ruf, das Image oder was weiß ich zu Schaden kommt, dann muss man bestimmte Fähigkeiten haben und die besitze ich nicht.

Ich will Ihnen sagen, was mich so nervt. Es ist ja schon öfter angeklungen, wenn ich von Menschen auf irgendetwas angesprochen werde, die ich überhaupt nicht zuordnen kann, dann bin ich immer ein wenig konsterniert. Vor Weihnachten ist meine Frau zu ihrer Mutter nach „Schlicktown“ (Wilhelmshaven) gefahren, weil es ihrer Mutter nicht so gut ging. Also hatte ich den großen Einkaufsbestellzettel, ohne den man Weihnachten aus Konservendosen leben müsste, weil Einkaufen in Hessen bedeutet: man befindet sich in einem extremen Zustand von Beschaffungskriminalität. Da unsere Vorjahresquelle versiegt war, bin ich am Samstag, 10 Tage vor Heiligabend, zum Markt nach Kelkheim gefahren, um einen Puter und einen Hasen für den darauffolgenden Samstag zu bestellen. Die Dame in ihrem Verkaufswagen guckte mich nur von weit oben herab, müde lächelnd an, und meinte trocken:

„wir nehmen keine Bestellungen mehr an, allerdings schon seit letztem Samstag nicht mehr“!

 In Deutschland, mindestens aber in Hessen, muss man offensichtlich seinen Puter dann bestellen, wenn der erste Schokoladenhersteller den ersten Weihnachtsmann in Schokolade gießt, also Ostern. Ich hasse das.

Ich war wütend, ich war verzweifelt. Ich sagte mir erst mal: „cool down“ und fuhr zum Bäcker um unsere vorbestellten Brötchen abzuholen. Allerdings finde ich die permanente Vorbestellung bei Bäcker Bender in Kelkheim gut, weil die garantiert ein anständiges Frühstück. Schließlich ist der genannte Bäcker der einzige in unserer Gegend der Brötchen backen kann, die andern sind alle Pfuscher und sonst nichts Anderes. Und glauben sie mir, ich kann das beurteilen, mein Opa war Bäcker. Beim Bäcker hatte ich dann die zündende Idee. Ich fragte einfach die Schwiegertochter vom Bäcker, wo ich denn vielleicht noch hingehen könnte. Sie lachte und sagte: „warum gehen Sie nicht einfach zu unserem Metzger Pfeiffer in Liederbach? Der nimmt bis heute um 15:00 h noch Bestellungen an, das weiß ich genau.“ Genau, das war die Lösung, wie konnte ich auch nur so blöde sein? Ich also zum Metzger Pfeiffer. Man nahm dort auch sehr freundlich meine Bestellung auf und ich traute mich dann noch nach einem Hasen zu fragen. Der Hase war dann nach einem kurzen Telefonat auch noch möglich, er sei halt nicht groß. Das ist Service, wirklicher und wahrhaftiger Service, da wird nicht drüber geredet, das findet einfach statt. Als ich dann endlich meinen Namen zu der Bestellung nennen musste, tief in mir drin ahnte ich schon irgendwie was kommen würde, kam es dann auch. Die nette Frau Pfeiffer rief:

„ach sie sind der Mann zur Frau Kölbel“!?

Das ist etwas was ich hasse, weil ich nie gelernt habe damit umzugehen. Ich stellte wieder einmal fest, dass ich die Befähigung zum Dörfler nicht besitze und ich fürchte ich werde es niemals schaffen diese zu erlangen.

Noch ein letztes Wort zum Service dieser Metzgerei. Am Heiligen Abend klingelte am frühen Nachmittag das Telefon und ich ging ran. Es war Frau Pfeiffer und sie bot mir noch einen zusätzlichen Hasen an, der übrig war. Ich nahm den Hasen, fuhr hin und bezahlte schlappe DEM 18, was wirklich nicht teuer war, angesichts des Hasen. Der Hase war Klasse und der Puter auch. So liebe Markttante: bei Euch werde ich nie wieder vor dem Wagen stehen, ich werde immer unseren Puter bei unserem Metzger bestellen und nirgends anders. Puter bestellen und braten ist nämlich schon seit vielen Jahren mein Job und soll es auch bleiben.

Categories: 我的金瓶梅

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