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Ein Schlüssel, Ringwitz und der gebrochene Arm

Wir hatten heute in der Firma ein kleines Schlüsseldebakel. Es geht um einen Schlüssel einer Schließanlage den wir nicht zugeordnet bekommen. Eigentlich lächerlich in einem Objekt mit vier Einheiten und den dazugehörigen allgemein zugänglichen Bereichen. Da wir uns hier schon mit unseren vier Einheiten verschusseln, fragte ich mich, was machen denn eigentlich Hausmeister, die Wohnblöcke mit hunderten von Einheiten betreuen?

Dabei fiel mir unser Hausmeister in Bremen ein. Der war für diverse – heute sagt man Mietskasernen dazu, in den sechziger Jahren war man froh in so einem Ding wohnen zu dürfen – Blöcke zuständig und hasste uns Kinder. Da die Angelegenheit durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte, riefen wir immer: „Ringwitz, Ringwitz, ist ein doofer Witz“, was ihn nur noch saurer machte. Sein höchstes Glücksgefühl war, wenn er einen unserer Bälle einkassieren konnte, denn um den wieder zu bekommen, musste der Delinquent in unterwürfigster Haltung bei ich im m Ruggentun 12  – wir wohnten in der 8 – an der Haustür klingeln, seinen Kotau leisten und eine Schimpftirade nebst Belehrungen über sich ergehen lassen, um seinen Ball wieder zu bekommen. Wer das nicht gemacht hatte, galt bei uns Jungs als Mädchen. Damals war man noch eben Junge und nicht „vergendert“. Die Gründe, welche der Ringwitz fand um uns den Ball abzunehmen, hat ohnehin keiner von uns kapiert, weil sie nicht immer nachvollziehbar waren. Manchmal waren wir ihm zu laut und wild, ein anderes Mal sollten wir nicht an dem Platz Ball spielen an dem wir es taten usf.

Was wir außerdem mit unserer freien Zeit anfingen, kriegten unsere Eltern ohnehin nicht mit, da sie arbeiten mussten und zum „helikoptern“ keine Zeit hatten. Meist nutzen wir den Platz zwischen den Wohnblöcken und der B 75 in der gesamten Breite aus und tobten dort herum. Dabei war das Gewächshaus von Gärtner Fliege im Weg. Das Gewächshaus stand direkt hinter der von uns zum Fußballspielen okkupierten Wiese. Da kam es schon mal vor, dass wir eine seiner Gewächshausscheiben ins Nirwana beförderten. Dumme Sache, das nennt man wohl Zielkonflikt. Jedenfalls war Gärtner Fliege nach Ringwitz unser zweiter Feind, auch er jagte uns. Da sich Hass meist aufschaukelt um in Krieg zu münden, wie man allerorten auf der Welt beobachten kann, führten wir irgendwann einen – heute würde man wohl sagen – asymmetrischen Krieg gegen den armen Gärtner. Heißt, wir schmissen ab und an ein paar seiner Scheiben absichtlich mit Steinen ein. Darauf bin ich alles andere als Stolz, aber ich war jung und dumm. Wenn wir des armen Gärtners Gewächshau richtig zu Leibe rückten, dann kam er irgendwann angeschossen um einen der Übeltäter abzugreifen. Uns war schon klar, dass das dann unangenehm würde, wenn wir zu Hause als die Übeltäter bekannt würden, die wir schließlich waren. Ergo, hatten wir mächtig Schiss, dass er uns erwischt. Eines Tages wir stoben mal wieder kollektiv auf der Flucht in alle Richtungen auseinander, trat ich in ein tiefes Loch auf der Wiese und viel hin. Dabei ging mein linker Arm zu Bruch. Ich schwöre, ich war neun und der Schmerz war die Hölle. Ich sprang auf und rannte mit dem gebrochenen Arm weiter, nur immer mit der Angst das der mich kriegt, denn uns war klar, außer dem Ärger zu Hause, hätte der uns eine Abreibung verpasst, die sich gewaschen hätte. Da wären durchaus Prellungen drin gewesen, die man heute unter schwerer Kindesmisshandlung verbuchen würde. Wie dem auch sei, zweierlei hat es mich gelehrt. Erstens, irgendwann kommt das Multiversum und zeigt Dir die Grenzen Deines Übermutes auf und zweitens, Angst ist stärker als Schmerz.

Anzumerken bleibt noch, dass ich nicht gebeichtet habe, warum ich mir den Arm brach. Auch bei unserem Hausarzt – der würde heute nicht mal als Pferdedoktor arbeiten dürfen und hatte höchstwahrscheinlich im Krieg noch Beine amputiert – habe ich mich ausgeschwiegen, über das wieso und weshalb. Jedenfalls wuchs der Bruch schief zusammen, was ich auf den schlampigen Arzt zurückführe, er aber auf die Tatsache das ich mich mit dem Gips am Arm geprügelt hatte, denn mein Kumpel Herbert konnte sich nicht so richtig vorstellen, wie ich ihm mit dem Gips eine schieben wollte, bis er die linke Faust im Bauchraum spürte.

Categories: 我的金瓶梅

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