Ich bin ein Mensch, der mit Pietät nur begrenzt und mit Tod, Verderben und schweren Schicksalen gar nichts anfangen kann. Das bedeutet im Prinzip, dass mich Fragen zu Pietät des Todes von fremden Menschen nicht berühren. Natürlich tun mir Menschen leid, denen schweres Leid widerfährt, aber das war es dann auch. Ich neige unserem Multiversum sie Dank nicht dazu, da übermäßig mitzutrauern oder vor triefendem Mitleid meine Anteilnahme zu heucheln. Unter dem Strich schützt mich das davor schlechte Gefühle zu entwickeln, oder zu haben, wenn mich solche Nachrichten erreichen. Ich habe auch keine Probleme damit, in einem Bett zu schlafen, in dem jemand verstorben ist. Oder ein Auto zu fahren, dessen Besitzer sich die Radieschen von unten ansieht. Wobei mich die Radieschen jetzt ein wenig ablenken und mir einfällt, wie ein Russe mit hervorragenden Deutschkenntnissen bei einer Feier fragte, was wir denn so für besondere Begriffe für Menschen hätten, die das zeitliche gesegnet haben. Als dann eine Dame am Tisch die Sache mit den Radieschen ausgrub, war der Abend für unseren Freund gelaufen. Der stellte sich den ganzen Abend vor, wie Radieschen von unten wohl aussähen und lachte den ganzen restlichen Abend in sich hinein.
Doch nun zu den Fragen. Mein erster Job nach dem Studium war bei der VDO – von der der OBW zur VDO, buchstabenkombinationsmäßig ein kurzer Weg – in der Entwicklung, mich um elektronische Bauteile zu kümmern. Mein Chef – da er noch lebt hier nur Hartmut K. – war der Herr über drei Abteilungen und entsprechende Gruppen, summa summarum so 150 Piepel. Bauteile waren aber immer noch sein Hobby, das hat er nie drangegeben. Verständlicherweise, muss man sagen. Mein härtestes Ereignis mit ihm war eine kleine elektronische Schaltung für ein Militärfahrzeug von Mercedes. Es ging um eine simple Intervallschaltung für die Scheibenwischer. Da saß ein einfacher Bipolartransistor von Motorola drin und Motorola hatte den abgekündigt. Die Frage war also jetzt, kann man den durch einen Standardtransistor ersetzen und wenn Ja, durch welchen? Ich hatte mir die Schaltung angesehen, sah aus wie ein Flip-Flop, war aber irgendwie auch keines. Ich fragte ein paar der älteren Entwickler, aber da war man auch eher ratlos. Also bin ich irgendwann zu meinem Chef und habe ihm das Ding hingelegt. Der guckte da eine Weile drauf, dann fing er an zu lachen und meinte:
„das ist eine der ersten Elektroniken, die ich hier entwickelt habe. Das war dann irgendwie alles zu teuer, also habe ich immer Bauelemente entfernt und geguckt, ob die Schaltung noch funktioniert.“ Woraufhin ich pragmatisch einen Standardtransistor in eine Leiterplatte der Schaltung steckte, das Ganze in den Ofen gepackt und geschaut habe, ob es bei kalt und warm funktioniert. Danach haben wir die Änderung dann gemeinsam abgenickt.
Nun aber: eines Tages fuhren wir zu Philipps in Roermond, es ging, glaube ich um Keramikkondensatoren. Wir waren zu viert im Auto. Mein Chef fuhr in seinem Dienstmercedes, ein 230er glaube ich, Herr E. von der QS des Werkes Frankfurt auf dem Beifahrersitz und sein Mitarbeiter und ich hinten. Dann ging es über die A3 gen Norden. Herr E. begann dann irgendwann ein Gespräch mit meinem Chef über seinen Dienstwagen. Herr E. fuhr selbst einen 190er Daimler und wollte jede Menge wissen. Was mein Chef betraf, war der an die 2 Meter groß und hatte es im Rücken. Der Fahrersitz in seinem Benz war also nicht mehr der Seriensitz, sondern etwas anderes. Sah aus wie aus Star Wars. Dann stellte Herr E. die Frage aller Fragen, die er besser nicht gestellt hätte.
„Das ist ein elektrisch verstellbarer Recaro-Sitz, oder?“ Daraufhin mein Chef,
„Ja, habe ich günstig bekommen, gut für meinen Rücken, ist aus einem Unfallfahrzeug. Der Fahrer ist bei dem Unfall gestorben.“ Das war nichts für den Herrn E., der schwieg dann nur noch betreten. Ich hatte hinten alle Mühe mein liederliches und auch ein wenig hämisches – Herr E. hatte schon ein, sagen wir mal, ziemlich großes Ego – Lachen zu unterdrücken. Ich glaube der Herr E. hatte die ganze restliche Fahrt schiss und fühlte sich recht unwohl. Hätte der die Frage doch gelassen…
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