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Haltbarkeit und Qualitätssicherung

Über das Mindesthaltbarkeitsdatum habe ich Ja schon hergezogen. Was meine Grundeinstellung dazu geprägt hat aber noch nicht. Als ich damals auf dem Sklavenschiff namens Woldemar  meinen Lehre genannten Frohndienst verrichtete, da habe ich als angehender Industriekaufmann auch einige Monate –präzise glaube ich dreimal zwei Monate – im Betrieb gearbeitet. Ich habe dort alles gemacht – aber wirklich alles. Ich habe Zucker- und Dextrosesäcke geschleppt, Dosen und Deckel für Konservendosen gezählt, im Chemielabor gearbeitet, Fisch aufgetaut, Heringsfässer durch die Gegend gerollt, Heringsfilets in Tiefziehschalen gepackt, im Lager gearbeitet und von den Packerinnen übersehene Heringsgräten für die Qualitätssicherung gezählt. Seit dem Zählen von Konservendosendeckeln weiß ich was scharf ist. Die Rohdeckel sind scharf wie Rasierklingen, egal wie gut man auch achtgibt, es gibt immer feinste Schnitte oben in der Haut, welche man gar nicht sieht. Wenn dann im Betrieb aber Kontakt mit essigsaurer Lake entsteht, weiß man endlich was „Aua“ ist. Die übelste aller Tätigkeiten aber war ehrlich gesagt, die Bombagenbearbeitung. Qualitätssicherung klingt so geil. Da stellt man sich einen Erbsenzähler im weißen Kittel vor, welcher anderen erzählt wie es geht, ohne sich selbst je die Finger schmutzig zu machen. Das kann so sein, muss aber nicht. Bombagen sind aufgeblähte Konservendosen. Wir bezeichneten als Bombage alles was vom Kunden zurückkam, warum auch immer. Die Dinger öffnete ich und musste dann auf so einem QS-Zettel, mehr war das damals nicht, ankreuzen, was mit dem Inhalt so los war. Ggf. schrieb man noch einen Kommentarsatz auf. Olfaktorisch ist so eine Tätigkeit eine wahre Herausforderung. Auch erfährt man durchaus etwas über sich selbst. So stellt man fest, wie hoch die Neigung ist, auf Grund einer psychischen Störung, namentlich hier des Ekels, eine veritable Nausea (Übelkeit) zu entwickeln u. U. zu erbrechen.

Eines schönen Tages tauchte in dem zu bearbeitenden Konvolut von Bombagen so eine 10 Literdose Matjesfilets auf, deren Design mir nicht bekannt war. Das Ding hatte ich noch nie gesehen, es stand zwar Woldemar drauf aber die Farben und die Schrift waren völlig anders. Ich stellte die Dose erstmal hintenan und fragte dann in der Frühstückspause den Betriebsleiter was ich mit dem Ding mache solle. Er meinte ich solle sie öffnen, er käme dann gleich mal nach hinten würde nach dem Schätzchen gucken. Als er auftauchte und die Dose sah, fing er an zu lachen und meinte das Design hätten sie vor 7 oder 8 Jahren abgelöst. Wir checkten die Dose und fanden, dass sie knapp 10 Jahre alt war. Er bedeutete mir, ich solle das Ding öffnen, obwohl der Zossen so alt war. Also machte ich die Dose auf und er langte hinein, fischte ein Filet heraus, strich das Öl mit den Händen ab, biss völlig schmerzbefreit ein Stück ab und fing an zu kauen. Er verdrehte wohlig die Augen und meinte der Matjes sei lecker, super gereift. „Ja logisch“, dachte ich, nach zehn Jahren in der Dose, verarsch mich doch. Ich faselte dann was von, „ich sei Ja nicht lebensmüde“, oder so. Er lachte und rief dann: „los probiere das, der ist immer noch astrein, völlig unbedenklich und lecker“. Ich fasste mir ein Herz und probierte den Matjes. Zu meiner Überraschung war der wirklich astrein und lecker. Alter Verwalter, nach 10 Jahren in der Dose, Konservierungsmittel Benzoesäure, mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum von 6 Monaten (die ohne Konservierungsmittel hatten nur 3 Monate) war der Fisch 1A. Das hat meine Meinung über den ganzen Regulierungsblödsinn des Gesetzgebers für die Nahrungsmittelindustrie nachhaltig geprägt.

Ach, bevor die grünen Schlaueimer jetzt kommentieren, wie schlimm Benzoesäure (E210) ist. Bei diesem Stoff handelt es sich um einen Stoff der in der Natur in Früchten vorkommt. Die Menge die man zusetzt, macht das ganze so gefährlich wie ein Schuss Essig in der Suppe. Erst letzte Woche meinte so ein von all dem grünen Schwachsinn krank gemachter Mensch zu mir, er würde beim Einkaufen darauf achten, dass ja keine E-Stoffe in dem Lebensmittel sind, welches er kaufen möchte. Ich habe dann diesem Verdutzten erklärt, dass ich das für einen ziemlich großen Fehler halte, weil all diese E-Stoffe bei der Europäischen Union gelistet sind und man über diese Stoffe sehr genau weiß ob und ab welcher Dosis sie u. U. gesundheitsschädigend sind. Andere Stoffe, welche die Lebensmittelindustrie einsetzen darf, welche aber nicht kennzeichnungspflichtig sind, würden mir persönlich da eher bedenklicher scheinen. Ferner geht mir nicht aus dem Kopf, dass sich der Alte bei Woldemar, der Kapitän und Eigner des Sklavenschiffs, immer standhaft geweigert hat irgendwelchen windigen Vertretern alternative Konservierungsmittel abzukaufen und einzusetzen. Sein Standpunkt war, nehme ich Benzoe- und/oder Ascorbinsäure, dann weiß ich was das macht und ob das schädlich ist, bei den anderen Stoffen kann ich mir einfach nicht sicher sein. Und man kann über den „Kaptein“ sagen was man will, Artur Graichen war das Wohl der Menschen die seinen Fisch essen definitiv nicht egal!

 

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