Jo, habe ich gemacht, habe ich sogar, entgegen anders lautender Prognosen aus verschiedenen Kreisen der näheren und ferneren Umgebung, fertig gemacht. Wenn das schriftlich ginge würde ich jetzt einigen Leuten einen gewaltigen Stinkefinger zeigen. Insbesondere denen, die meiner Mutter zugesetzt haben, 2,2,3 und 3 waren die Noten ihr Armgeigen. Ich war mit 17, mitten in der Lehre, zu Hause ausgezogen. „Das geht schief“, geiferten sie, „jetzt ist er verloren, gerät auf die Schiefe Bahn“. Meine Mutter litt. Mein Sohn fragte mich neulich nach dem: Warum? Ich war sprachlos, nicht weil mein Hirn langsam wird, sondern weil ich versuche meinem Sohn vernünftige Antworten zu geben. Ich stellte fest, spontan wußte ich es nicht. Zu lange her. Ich denke, es ging einfach nicht mehr, Punkt. Wahrscheinlich war ich es, wahrscheinlich trugen beide Seiten dazu bei. Bitte kein Mitleid, mir geht es gut.
Aber meine Lehre war ein Abenteuer. Wie ich die ganze Chose überstand ist mir heute schleierhaft. Ich arbeitete bei „Woldemar“. Stapelbar von Woldemar? Der Inhaber, Typ: ich bin hier der Kaiser, Herr über rund 120 Sklaven, Artur Graichen war sein Name. Der kam aus Riga, da wurden früher Fische verarbeitet. Nach dem ganzen Desaster mit Adolf ist der da dann raus und irgendwie hat er sich auf die sichere Seite gelegt. Vom äußersten Osten bis in den letzten miesen Winkel im Westen an der Küste, Emden (Gerhard Seyfried nannte es Befremden). Also hat er da Heringe in Tiefziehschalen und Dosen gemacht. Keine Angst, die Heringe waren schon tot. Da lernte ich nun. Drei Jahre auf dem Sklavenschiff. Damals mußte man, heute wohl wieder, froh sein das man überhaupt eine Lehrstelle bekommen hatte. Also Augen zu und durch. Hab ich ja auch gemacht.
Sonst war die Zeit gut. Wir tranken Bier, legten jeder das erste mal ein Mädchen flach.
Gerade fällt mir etwas positives aus der Lehre ein. Die Zeit unten im Betrieb war körperlich anstrengend, Fässer rollen, Säcke schleppen, Labor reinigen (Lebensmittelchemie) und sonst noch so einiges. Aber ich härtete dort auch ab. Wir hatten viele Frauen – Frauenzimmer – beschäftigt. Viele Portugiesinnen, nette aber auch ziemlich abgebrühte Frauen. Eines Tages, ich suchte unseren Betriebsleiter und fragte in der Halle eine der Damen, ihr Name war Maria Oliveira. Entweder ist der Name wie Erna Schmidt oder ich verstehe es nicht – viele hießen so. Die nette Dame sah mich an und schaute dann in die Taschen ihres Kittels, wieder sah sich mich an und sagte, „hier hab ich ihn nicht“. Dann machte sie die Beine breit und schaute zwischen sie und sagte, na was wohl? Ja,“und da auch nicht“. Ich wurde rot, die Frauen kicherten, die Männer grölten. Ich wurde nie wieder rot. Das war es, danach war ich errötungsfest.
Mit Maria Oliveira verbindet mich noch etwas. Einmal im Jahr beschloß der Alte in seiner grundgütigen, weisen Art für seine Sklaven ein Event zu organisieren und zu bezahlen, ein sogenanntes Betriebsfest. Also organisierte er. Bevor es los ging wurden die Männer zusammengetrommelt. Alles was einen Schniepel zwischen den Beinen hatte, mußte antreten und dann kam die Predigt. „Ihr wißt, daß wir nur 14 Männer auf über 100 Frauen sind. Damit der Abend etwas wird, müßt ihr tanzen. Also nicht nur am Tresen stehen und Bier trinken, jeden zweiten Tanz tanzen“. Er würde mit gutem Beispiel vorangehen. Ich kann nicht tanzen. Ich konnte es noch nie. Mein erster Versuch tanzen zu lernen war als ich mit meiner damaligen Lebensabschnittsgefährtin zum Tanzkurs ging, ich war 16. Meine Eltern hatten mir etwas dazugegeben, Geld war also vorhanden, bei ihr auch. Wir rein, der Name der Tanzschule ist mir leider entfallen aber jene die Emden kennen, kennen auch Schrock-Opitz, nee ehrlich, der Name ist echt, nicht ausgedacht. Der alte Schrock der dann da rumwuselte, schaute mich an und machte mir unmißverständlich klar daß ich asozial war. Lange Haare, die Schuhe, die Klamotten, kurz, er mochte mich. Darauf dachte ich: Leck mich, wenn Du mein Geld nicht willst. Ich ging und damit war das Thema tanzen auch erledigt. Da ich meiner Frau aus Liebe versprochen habe, irgendwann einen Tanzkurs mit ihr zu machen, machte ich auch 1,5 Kurse mit ihr. Das Ergebnis ist, ich kann immer noch nicht tanzen. Obwohl, tanzen kann ich schon, mit meiner Frau, zu Private Dancer bei schummerigem Licht. Daran habe ich Spaß, das ist schön, der Rest ödet mich an, genau wie Uniformen, alle bewegen sich gleich, verdächtig bekannt.
Maria Oliveira? Ja es kam wie es kommen mußte, alle Männer – auch ich – tanzten mit den Damen. Ich gestehe, einige tanzten, der Rest war damit beschäftigt darauf zu achten den Damen keine Fußverletzungen zuzufügen, so auch ich. Dann wurde es später und wir tranken Bier und Schnaps, man versuchte die Lehrlinge blau zu machen. Immer wieder trieb uns der alte auf die Tanzfläche. Irgendwann, mein Bier war kalt und lecker, kam Maria. Maria war ca. 1,65 m hoch und wog gut und gerne an die 100 kg. Sie zog mich vom Hocker und tanzte mit mir. Präzise ausdrückt wirbelte sie mich herum, ohne das meine Füße den Boden berührten. Wieder war ich das Gespött, aber es hat mir einen rasenden Spaß gemacht. Wir haben noch oft über die Nummer gelacht, auf dem Sklavenschiff.
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