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Mein Onkel Gustl, Hoimar von Ditfurth und andere Gründe Ingenieur zu werden

Mein Onkel Gustl ist der Mann der Schwester meiner Mutter. So damit ist das auch mal schriftlich festgehalten – lange Verbindung bis zu so einem Onkel.  Mein Onkel Gustl ist schuld daran, dass ich Ingenieur geworden bin. Die Sache war nämlich die, ich war in der Schule früher ziemlich blöd in Mathematik. Über das bisschen Chemie und Physik, dass man uns bis zur 8. oder 9. Klasse damals vermittelte, möchte ich lieber gar nicht erst reden, bzw. schreiben. Es gibt wirklich Dinge die sprichwörtlich jeder Beschreibung spotten. Also blöde wie ich in Mathematik war, stieß ich irgendwann auf meinen Onkel und der vermittelte mir in einfachen Worten, wie die Übersetzung an einem Fahrrad funktioniert, wir sprachen nämlich über eine Kettenschaltung, 10-Gang, das war damals High-Tech mit Low-Tech-Teilen. Heute sind Fahrräder ja Low-Tech-Geräte aus HighTech-Teilen. Sicher hätte mein Vater mir das gleiche als Schiffbaumeister auch vermitteln können, aber welcher am Anfang der Pubertät befindliche Junge hört schon seinem Vater zu. Sollten Sie doch einen kennen, dann schicken Sie Ihn schleunigst zum Psychologen – der Junge hat was, ist krank, dringender Handlungsbedarf. Also nachdem ich die Sache begriffen hatte, brach etwas in mir, oder es brach etwas auf. Ich begriff, dass ich entgegen aller anderslautenden Prognosen so ganz blöd gar nicht sein konnte. Immer und immer wieder dachte ich über das Problem der Übersetzungsberechnung nach. Und um ganz offen zu sein, manchmal schwirrt es mir heute noch durch den Kopf, wenn ich ein Problem zu lösen habe und mich seelisch-moralisch motivieren muss, an mich und eine mögliche Lösung  zu glauben. Also war die Sache mit der Übersetzung so etwas, was die Psychologen (neudeutsch heißen die glaube ich „Psychos“, engl. gesprochen) ein Schlüsselerlebnis nennen. In Mathematik wurde ich nur ganz langsam besser und begriff eigentlich erst in der 10. Klasse was Masse ist, indem ich meine ganzen Defizite einfach durch Arbeitseinsatz autodidaktisch aufarbeitete. Mathematik mache ich heute noch im Schlaf, morgens um 3 Uhr. Es ist also nie zu spät. Und der Spruch, dass „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, ist falsch!

Was hat das nun mit Hoimar von Dithfurt zu tun? Viel! Ich habe erst kürzlich etwas gelesen (ich glaube es war in „brand eins“, dem einzigen Wirtschaftsmagazin welches etwas taugt), da wurde doch tatsächlich Hoimar von Dithfurts „Im Anfang war der Wasserstoff“ zitiert. Mann, war ich fertig. Wer erdreistet sich, den Mut und die Courage aufzubringen, diesen Mann zu zitieren? Einer der besten Öffentlichkeitswissenschaftler, völlig zu Unrecht gescholten, verdrängt und  vergessen. Ich habe mir seine Wissenschaftssendungen angesehen, wann immer möglich – meistens war es möglich. Ich habe die Bücher gelesen, um nicht zu sagen, verschlungen. Der Mann hat mich tief beeindruckt. Nach meinem heutigen Verständnis war er seiner Zeit weit voraus. Er hatte nämlich begriffen, dass ohne die Ausgewogenheit – heute würde man ganzheitliche Betrachtungsweise dazu sagen – nichts wirklich „nachhaltig“ – blödes Wort aber es trifft – dauerhaft funktionieren kann. In diesem Sinne folge ich ihm. Auch dieser Einfluss hat mich sicherlich in die Arme der Physik getrieben und mich zum Ingenieur werden lassen.

„Der Ingenieur ist das Kamel, auf dem der Kaufmann durch die Wüste reitet“. Das hört man manchmal. Oft stimmt es – leider. Umgekehrt wäre es oftmals besser – Ausnahme: Ferdinand Piech. Jedenfalls sind die Ingenieure meist die Dummen in den Unternehmen. Ich glaube zu wissen woran es liegt. Wenn der Kaufmann fertig ist mit seiner Ausbildung legt er los. Unterstellt er hat seinen Stoff kapiert, ist sein Universum komplett und es gibt wenig Neues und kaum Risiken. Wenn man mal die Hochfinanz – ich meine „HighTech-Finance“, also etwas wie Handel mit Reits und Derivaten – ausnimmt, dann ist das aus meiner Sicht so. Ich will hier nicht die Kaufleute schlechtmachen. Ich versuche nur den Unterschied deutlich zu machen. Der Ingenieur kommt nach seiner Ausbildung ins Berufsleben und kennt zwar viele Galaxien im Universum mit Namen, aber die Sterne und Planeten in all diesen Universen kennt er kaum. Ergo muss er sich spezialisieren, er beschränkt sich auf ein paar Galaxien, Sternenhaufen und schwarze Löcher. Im Zuge der Globalisierung muss er dies heute unter Umständen mehrmals in seinem Berufsleben tun. Also nicht wie der Fernmeldeingenieur bei Siemens, einmal Telefon immer Telefon – „that’s over Baby“. Also ist der Ingenieur nicht fertig, wenn er fertig ist. Das führt oft zu Verunsicherung und großer Vorsicht. Man schreitet langsam voran, wo der Kaufmann schon drei Unternehmen oder Unternehmungen versenkt hat, überlegt der Ingenieur vielleicht noch wie man die Sache zum Erfolg bringt. Das ist die Wahrheit, ich bin jetzt schon 20 Jahre Ingenieur.

Schlimm ist, dass ich einer aussterbenden Spezies angehöre. Ingenieur will doch heute keiner mehr werden. Der Grund? Faulheit, unsere ganze Gesellschaft ist faul. Manchmal glaube ich sogar faul im doppelten Sinne. Erstens faulen wir vor uns hin wie vom Ast gefallene Äpfel und zweitens sind wir faul im Sinne von behäbig. Wenn man Abitur oder Fachabitur hat, dann geht man zu irgendeiner Hochschule und studiert irgendwas mit Betriebswirtschaft, das scheint irgendwie ja jeder zu schaffen. Augenscheinlich ist der Aufwand ja nicht so groß. Danach gehen wir in die Wirtschaft, verdienen viel Geld und labern einen Haufen dummes Zeug, was aber die anderen ohnehin nicht bemerken, weil sie das „Dumm Tüch“ (Plattdeutsch für: Dummes Zeug) gar nicht mehr wahrnehmen können, wie auch, wenn man selbst sich im Einheitsbrei herumsuhlt?

Ingenieur werden? Das heiß sich auf den allerwertesten Arsch zu setzen und etwas zu leisten. Man muss viel Frustration, und liebe Psychologen, viel Demütigung ertragen um die Sache irgendwann, irgendwie zum Abschluss zu bringen. Einen Ingenieur mit einem sehr guten Abschluss würde ich unter Umständen nicht einstellen, weil sich mir der Verdacht aufdrängt, er ist mit zu viel Talent gesegnet. Einen mittleren Abschluss will ich sehen, weil dann weiß ich, dass der gute Ingenieur eines ist, nämlich zäh. Zäh genug war er, seinen Abschluss zu machen. Zweifeln ist ein Teil seines Ichs geworden, Lösungen musste er finden, versägt hat er so manches. Manches möglicherweise erst zu spät begriffen, eine 3 geschrieben und danach erst kapiert was los ist. Das sind die Leute mit denen man etwas bewegen kann. Ihre Demut versetzt sie in die Lage andere, neue Wege zu ersinnen. Ingenieur sein, dass heißt Menschen wie Leonardo da Vinci und Galileo Galilei nachzufolgen, versuchen in Ihre uns viel zu großen Schuhe zu steigen und das was auch immer kommt, zu lösen und zu bewältigen. Das muss machtvoll in uns sein, wie der Spruch: „sie alle zu finden, sie alle zu binden…“. Das macht Ingenieure zu konstruktiven Menschen, falls sie nicht gerade destruktive Mittel wie Waffen entwickeln.

 Und was ist jetzt die „Message“? Die Nachricht ist, wenn es in unserem Land so weitergeht wie es sich derzeit abzeichnet, dann arbeite ich noch mit 75, weil es in Deutschland keine Ingenieure gibt, jedenfalls nicht genug. Alles was auf uns in den nächsten Jahrzehnten zukommt, alles, wird Ingenieure erfordern, mehr als heute. Aber wie soll das gehen, wenn wir nicht genügend junge Leute zu Ingenieuren und vor allem auch Ingenieurinnen machen? Wir haben nicht genug Interessenten, das ist schlimm. Eigentlich können uns nur noch die jungen Frauen retten, indem sie sich von ihren klassischen Berufen lösen und unsere Männerdomäne richtig aufmischen. Ich hoffe inständig sie tun es, es ist längst Zeit dafür. Auch für die Fachrichtungen wäre es Gut wenn die anderen – weiblichen – Hirnregionen die Technik beeinflussen würden.

Was habe ich meinem Sohn zur Berufswahl gesagt? „Werde kein Ingenieur, Dir fehlt das Talent“, habe ich gesagt. Ich meine das nicht böse, aber er hat da doch mehr die musischen Talente, gäbe sicher einen guten Ökonomen ab, wenn er sich hinreißen ließe, dieser zweiten, in Deutschland vernachlässigten, Richtung zu folgen. Die müssen sich nämlich auch hinsetzen und sich einiges antun. Werden dann später genau so wenig verstanden wie die Ingenieure. Ich habe gesagt: „mach irgendwas, aber Spaß muss es Dir machen. Was Du studierst, hat mit dem was Du später machen wirst in der Regel ohnehin nichts mehr zu tun, sieh mich an!“ Das war meine „Message“, und zu der stehe ich, voll und ganz.

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