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Salbe

Hat wohl jeder schon mal verordnet bekommen. Ist irgendein Mensch in der Lage, von einer Besserung oder Heilung durch Salbe zu berichten? Würde mich über eine Email dazu sehr freuen. Mein Vater glaubte an Salbe wie ich an unser Universum glaube. Für alles hatte er eine Salbe. Mein Vater war bis zu seinem plötzlichen Herztod nie irgendwie ernstlich krank, oder er sagte es uns nicht. Auch als hysterische Versuche, ihm ein Problem an der Prostata anzudichten gemacht wurden, weil irgendein völlig umstrittener PSA-Wert zu hoch sei, strafte er die drogensüchtigen Ärzte ab, in dem er nichts an der Prostata hatte. Leider kann man die Prostata nicht mit Salbe einschmieren, sonst hätte mein alter Herr mit Sicherheit versucht das Nichtvorhandensein von Prostatakrebs mit der unübertrefflichen Heilwirkung einer Salbe zu begründen, der Salbe zu huldigen, sie zu verehren und sie für heilig zu erklären.

Ein gutes hatte die Sache mit der Salbe jedenfalls. Da wir 500 km entfernt von meinen Eltern leben ist unser Sohn ein- bis zweimal im Jahr für eine bis eineinhalb Wochen bei meinen Eltern gewesen. Da bekam der dann alles Gute was andere Kinder in 6 Monaten bekommen in einer Woche, was ihm natürlich sehr gefiel. Mein Vater machte mit seinem Enkel ununterbrochen Dinge die Action pur bedeuteten und meine Mutter fütterte und umschmuste ihn, wenn sie ihn denn zu fassen bekam. Hatte der Junge ein Wehwehchen, oder Heimweh – kam angeblich, seinen Worten zu Folge, aber nicht vor – dann gab es Salbe. Manchmal war es wirklich Salbe, manchmal Creme. Für meinen Vater waren Cremes auch irgendwie Salbe. Der Junge freute sich dann wie ein König und war von der Wirkung der Salbe oder Creme sichtlich überzeugt und beeindruckt. Das ging so weit, dass er begann seine Eltern dafür zu hassen, dass seine Eltern außer Niveacreme und Mobilat-Salbe keine solchen Produkte in ihrer Hausapotheke hatten.

„Bei Opa hätte ich jetzt aber eine Salbe gegen mein „wasauchimmer“ bekommen“, war ein häufiger Spruch unseres Sprosses.

Und warum hatten wir kaum Salben? Als Student habe ich mich mal fürchterlich verletzt, als ich an einem hornalten VW-Käfer eine Heizbirne abbauen wollte, weil ich die Heizbirne benötigte um den Käfer meiner Freundin durch den TÜV zu mogeln. Beim Abziehen des Wagenhebers aus dem verdammten Einsteckrohr für den Selben habe ich mir das mittlere Gelenk meines kleinen rechten Fingers geprellt. Der Wagenheber klemmte und beim Rausziehruck schlug das Gerät zurück und klemmte den Finger zwischen Wagenheber und dem Einsteckstift kurz, klar und präzise am Gelenk ein. Der Finger schwoll immer weiter und der Schmerz war nicht zu ertragen. Mitten in der Nacht ging ich dann endlich ins Krankenhaus, auf der Suche nach Hilfe. Die Ärzte haben den Finger geröntgt und mir dann irgendwann eröffnet, dass

  1. kein Bruch feststellbar sei,
  2. das Gelenk einfach nur geprellt sei und
  3. eine Gelenkprellung wesentlich schmerzhafter sei als ein Bruch.

Schön, dann trug der Arzt eine Salbe auf das Gelenk auf und fing an einen Verband darüber anzubringen, der den Finger vor unnötigen Berührungen schützen sollte. Da fragte ich den Arzt im Hinblick auf die Salbe,

„hilft das?“

Er: „was? Die Salbe?“ Ich: „ja die Salbe!“ Woraufhin er mich erst etwas konsterniert anschaute und dann leicht grinsend meinte,

„wenn man daran glaubt schon!“

Seit dieser Zeit ist Salbe für mich ein Produkt für Scharlatane und Bader. Meinen Vater focht das niemals an, er glaubte an die segensreiche Wirkung von Salben.

Für unseren leicht hypochondrisch veranlagten Sohn bedeutet es, dass wir ihn manchmal dezent auf seine Hypochondrie hinweisen, indem wir behaupten, lebte sein Großvater noch, könnten wir ihn um eine Salbe für sein Wehwehchen fragen.

Categories: 我的金瓶梅

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