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Wehrüberwachung

Wer gemustert ist, unterliegt der Wehrüberwachung.  Da sagen Sie, das ist nichts neues. Ja, das stimmt, aber wußten Sie das ein Zivi auch der Wehrüberwachung unterliegt, und zwar vor und nach seinem Zivildienst. Nach meiner erfolgreich durchgezogenen Verweigerung war ich zunächst vom Zivildienst freigestellt, bis ich mein Abitur fertiggemacht hätte. In dieser Zeit unterliegt man der Wehrüberwachung. In der Abiturschulzeit fuhr ich zweimal nach Berlin, auf dem Transit durch Dunkeldeutschland. Nun hätte man das melden müssen, muß ein Soldat, Nochsoldat oder Nochnichtsoldat auch. Macht aber keiner. Ich auch nicht. Als ich das erste mal aus Berlin zurück war, erzählte ich meinem Vater beiläufig wieder einmal, der Staat könne mich am Arsch lecken und ich sei mal eben so nach Berlin, hin und zurück. Mein Vater wurde dann ein wenig bleich und fragte:

„Auf´m Transit?“ „Ja!“

Ich hatte da was schlimmes gemacht. Schließlich stammte ich von einer Person ab die dem Staat diente und als Geheimniskrämer eingestuft war.

„Oh Mann, das hätte ich melden müssen,“ stöhnte er.

Shit, ich hatte ihm da echt Kopfschmerzen gemacht. War keine Absicht, ich hatte vergessen, daß der Staat Angst hat, seine Geheimnisträger könnten erpreßt werden, von den bösen Ostmächten. Lieber MAD, ich bin dann noch einmal ohne Vorwarnung und Ankündigung hin- und zurückgefahren. Ihr könnt mich gerne verhaften, ich stehe im Telefonbuch, mit Adresse. Der Knüller ist aber, daß wir beim zweiten mal beihnahe unsere Verhaftung erzwungen hätten. Das kam so. Wir waren mit fünf Mann im Käfer hingefahren. Die ganze Prozedur. In Helmstedt die Pässe abgeben, dann den Käfer zentimeterweise die Reihe aufrückend nach ganz vorne schieben, wo man die Pässe dann wiederbekommt. Auf dem Rückweg die gleiche Prozedur wieder. Nur diesmal hatten wir so doofe Mützen auf. Eine Art Baseballkappe vom ZDF, Farbe orange, links ein Mainzelmännchen drauf, rechts ZDF. Die Mützen hatten wir noch mit reichlich Restalkohol versehen bei der IFA, Dieter Thomas Heck moderierte gerade die Hitparade, abgegriffen. Der DDR-Grenzer nimmt also die Pässe und ruft die Namen der Reihe nach auf. Da muß man dann laut, „hier“, rufen, machten wir auch.

„Ackermann?“

„Hier!“

„Jansen?“

„Hier!“

„Klimeck?“

„Anwesend?“

Und so weiter. Als er damit durch war guckte er ins Auto und schrie:

„Mützen ab!“

Plötzlich kam aus unserem Wagen eine tiefe, ruhige Stimme, die sagte:

„Nö, heute nicht, keine Lust!“

Dem Mann viel alles aus dem Gesicht. Er wurde rot und fing nun richtig an zu brüllen. So von wegen, wenn nicht, dann! Ja, dann, was dann? Er brüllte was von einsperren. Da war es rum bei uns. Wir waren freie Westbürger, hatten gültige Pässe, keiner von uns war je eingesperrt worden, somit war da auch eine gewisse Neugier. Ich dachte damals, „bin gespannt wie lange es dauert bis das Auswärtige Amt diesen Hanseln die Ohren langzieht und wir ganz friedlich nach Hause fahren dürfen“. Das muß der auch gedacht haben, weil nach seiner circa fünfminütigen Brüllattacke gab der Grenzer entnervt auf und ließ uns fahren. Schwächlinge, da hatte der Honecker doch wohl vergessen die Leute besser auf renitente Westjünglinge einzustellen. Das war mein DDR Erlebnis. Für mich war klar, die tickten doch niemals richtig. Wie kann irgend jemand glauben, er kann seine Bürger für alle Ewigkeit einsperren, das ist doch krank.

Zurück zur Wehrüberwachung, ich habe mir, als ich Zivi war, in einem Anfall von geistiger Umnachtung das Bundeszivildienstgesetz gekauft. Ich habe es sogar gelesen. Ja, lachen Sie mich ruhig aus, ich bin so. Da habe ich dann festgestellt, daß ich zwar verweigern kann, ich kann ein geprüftes Gewissen haben, aber wenn es Ernst wird, dann kommt die Bundeswehr und steckt mich in irgendein Sanitätskader, zu den Homosexuellen, oder sie schicken mich so als Ersttester in irgendein radioaktiv oder biologisch verseuchtes Gebiet und zählen die Minuten bis zu dem Zeitpunkt, wenn ich elendig gestorben bin. Ja so war das, dass war die Wahrheit über die Toleranz des Staates, gegenüber den von ihnen anerkannten Kriegsdienstverweigerern.

Reisepass No. 1

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