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Zug fahren

Ist einfach, glaubt man im Allgemeinen. Den gegenteiligen Beweis habe ich aber erlebt, oder sollte ich sagen, durchlebt. Dabei durfte ich auch unter unseren intereuropäischen Divergenzen leiden, das hat mir ganz besonders zugesagt.

Zunächst einmal möchte ich hier an dieser Stelle feststellen, dass die Deutsche Bahn ein schlecht geführtes Unternehmen ist. Solange Leute wie dieser Mehdorn an der Spitze dieses Unternehmens stehen, dürfen wir davon ausgehen, dass die Bahn weiterhin ohne Perspektive und vor allem ohne Vision durchs „Wirtschaftsland“ geistert. Wieso? Weil im Gegensatz zur französischen Bahn, der belgischen und auch der britischen Bahn, hat sie keine Vision. So wie die deutsche Bahn kaum in der Lage ist deutsche Städte vernünftig miteinander zu verbinden, so ist sie beim Thema europäische Hauptstädte zu verbinden, allerhöchstens fünftklassig.

Ich habe einen Fehler begangen. Ich wollte von Frankfurt a. M., nicht Oder liebe Ossis, nach Lille, welches in Frankreich liegt. Allerdings nur deshalb, weil einst ein holländischer Fürst eine seiner Töchter an einen Herzog von Burgund günstig verheiratete und somit dieser Teil von Flandern in französische Hände geriet. Normalerweise macht man sowas mit dem Flieger bis Paris und dann den Rest mit dem französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV, oder man fliegt nach Brüssel und fährt den Rest, ungefähr ein einviertel Stunde, mit einem Leihwagen. Also, abenteuerlustig wie ich bin, entschloss ich mich mit dem Zug zu fahren. Ehrlich, fliegen ist leicht, Autofahren erfordert sicher auch keine große Intelligenz, aber Zug fahren über zwei imaginäre Staatsgrenzen hinweg, dass braucht einiges.

Das erste Hindernis ist, dass man in Deutschland für einen normalen belgischen Zug (so wie Interregio), der irgendwann die Grenze nach Frankreich überschreitet, keine Fahrkarte erwerben kann. Man fährt also von Frankfurt nach Köln, steigt dort nach Lüttich um und in Lüttich rennt man dann, mit Gepäck versteht sich, zu einem Fahrkartenschalter und kauft eine Fahrkarte nach Lille. So kommt man auch irgendwann in Lille an.

Zurück kommt dann die eiserne Haltung der Engländer bezüglich des Schengener Abkommens ins Spiel. Ich behaupte die Engländer sind Idioten. Nur die Schweiz, England und Norwegen haben das noch – Mittelalter, tiefstes dunkles Mittelalter – Passkontrollen.

Ich Idiot bestieg in Lille an einem Freitagmorgen den Eurostar, toller Zug. Dieser kommt aus London durch den Kanaltunnel via Calais in Lille, also im Europa von Schengen, an. Ich steig da nun also mit zehn Minuten Verspätung ein, die der Zug bis Brüssel aber unmöglich aufholen kann. Da ich in Brüssel ganze fünfzehn Minuten Übergangszeit zum Zug nach Köln habe, bleiben mir nun noch fünf. Real hatte ich dann vier Minuten übrig. Selbstverständlich kamen wir in einem Sackbahnhof an und mein Waggon – lieber Murphy – war der vorletzte. Also im Stechschritt, mit Gepäck zum Bahnsteigende, dort die Rolltreppe runter und dann Stau. Ich guck, denk noch was ist jetzt wieder los, was geht hier Schief. Na was glauben Sie? Ja, richtig, Passkontrolle. Da kommt man schon einmal einer durch Wut ausgelösten Ohnmacht nahe, glauben Sie mir. Nachdem ich, auf Französisch selbstverständlich, erst einmal die Engländer laut als Idioten bezeichnet hatte, ging es mir ein wenig besser und ich war in der Lage meinen Personalausweis (Perverser) aus dem Portemonnaie zu fischen. Die Reihe hielt mich nur ungefähr 87 Sekunden lang auf, dann setzte ich zum nächsten Sprint an. Da ich in meinem rechten Knie einen Knorpelschaden habe, tut mir das mit Gepäck dann auch noch physisch weh. Na ja, gerettet haben mich die Durchsagen im Brüsseler Bahnhof. Die Belgier sind, auch wenn sie Auto fahren wie die Schweine, echte Weltmänner. Das Gannze kam in folgender Reihenfolge: französisch, flämisch, englisch und deutsch. So musste ich nicht nach dem Gleis suchen und schaffte es einige Sekunden bevor die Türen zufielen den Zug zu erklimmen. Mann/Frau, das war ein Rennen.

Zurück zur Deutschen Bahn, die haben nichts begriffen, die denken nur deutsch. Während Engländer, Franzosen und Belgier in Konsortien europäische Grand Lignes, inklusive eines gigantischen Kanaltunnelprojektes planen und umsetzen, schafft es die Deutsche Bahn nicht einmal die Strecke Frankfurt am Main – Köln fertigzubekommen und die elende Fahrzeit von zwei ein viertel Stunden unter eine zu bringen. Mich würde mal interessieren, wie lange die Deutsche Reichsbahn 1936 für diese Strecke gebraucht hat. Wahrscheinlich unter zwei Stunden, „I guess so“.

Noch eines liebe Deutsche Bahn. Euer Hochgeschwindigkeitszug heißt immer ICE. Die Verbindungen der anderen werden mit Zügen gemacht, in deren Namen die Vision mitschwingt. Da gibt es Züge wie: TGV Atlantique, Eurostar, Thalys, da kann ich hören wozu der dient und ich kann die Vision fühlen die dahintersteht.

Nachtrag: Jahre später, die Strecke Frankfurt – Kön ist längst ,wollte ich von Frankfurt nach Köln fahren. Es war Winter, es hatte geschneit und ich freute mich, dass ich mich für den Zug entschieden hatte. Ich also zum Flughafen Franfurt mit dem Auto, ab in die Garage und dann in den Flughafenbahnhof. Dort die Ernüchterung, Verpätungen und Streichungen woweit das Auge reicht. Mein Zug würde aber mit 35 Minuten Verspätung fahren verkündete mir der livrierte Bahnmitarbeier stolz, allerdings linksrheinisch – Fahrtzeit also ca. 2,5 Stunden. Daraufhin sagte ich dem armen Kerl:

„ach lassen Sie mal, mein Auto fährt bei jedem Wetter.“

Ich also zurück zu meinem Auto und  mit Tempo 90 – 120 km/h langsam über die A3 nach Köln. Ein Anruf und der Termin wurde verständnisvoll und freundlich auf 11:00 h statt 10:00 h umterniniert und ich traf um 10:40 h entspannt dort ein.

 

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