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Siegfried Fellmann, von uns liebevoll „Siggi“ genannt

Ende letzten Jahres habe ich etwas gesucht, im Netz – google. Irgendwie, keine Ahnung wie und wieso, landete ich bei meinem alten Professor und fand die Sterbeanzeige seiner Tochter für Ihn. Er war Anfang 2023 verstorben. Der genannte war mein Professor und hat meine Diplomarbeit begleitet. Mößbauerspektroskopie, das muss man sich nicht merken. Ihm war das wichtig, er hatte darüber promoviert – mir sogar ein Exemplar seiner Promotion geschenkt. Nun ist er also verstorben und ich schreibe etwas über ihn auf, weil es verdient hat.

Eine Geschichte mit Siggi habe ich Ja schon aufgeschrieben. Aber da gab es durchaus noch mehr. Eines erinnere ich, wir hatten ihn, weil seinerzeit Dekan des Fachbereichs, zu einem unserer Semesterbesäufnisse eingeladen und er trank auch immer fröhlich mit. So um kurz nach Mitternacht klinkte er sich aus. Nein, nicht das er ging, er schloss immer mal kurz die Augen und nickte ein. Wir soffen weiter. Als wir dann die Versammlung so gegen halb drei in der Nacht auflösen wollten, war er auf einmal wieder voll da und beschwerte sich, dass wir schon gehen wollten, es sei doch noch früh. Wir waren völlig entgeistert und tranken noch einen Absacker mit ihm.

Macken hatte Siggi natürlich auch, also Berufsmacken meine ich. Berufsmacken, oder meist von mir als Berufskrankheiten bezeichnet sind im Prinzip Orden. Die können einem von Anderen – meist unfreundlich gemeint – oder von einem selbst verliehen werden. Berufsmacken zeichnen Menschen aus, die ihren Job ernst nehmen und ihn gerne machen. Bei mir sind das so Ingenieurskrankheiten wie z. B. Fehlkonstruktionen auf den ersten Blick zu erkennen. Bei meiner mir von unserem Multiversum anvertrauten Gattin ist es das Erkennen von Defiziten oder Suffiziten bei Kleinkindern. Das hat sie nicht nur gelernt, sondern verinnerlicht und mit unfassbar großer Erfahrung ausgebaut. Bei Siggi war eine seiner Berufsmacken fest mit dem Elektron verknüpft. In seinen Vorlesungen mokierte er sich immer darüber, dass es Menschen gibt, welche der Auffassung sind, Elektronen seien blau. Also fragte er dann immer in Erwartung einer rhetorischen Antwort:
„welche Farbe haben Elektronen?“ Dann wartete er einfach ab bis irgendeiner (Damen hatten wir leider nicht) sagte:
„keine!“
Nun muss man wissen, dass ein Elektronenstrahl in einem evakuierten Glasgefäß durch Fluoreszenz blau erscheint, die Elektronen selbst aber keine Farbe haben. Nun kam der Siggi eines Tages in seinen Vorlesungen logischerweise auch bei der Heisenbergschen Unschärferelation an, welche simpel ausgesprochen aufzeigt, dass man entweder die Zeit oder den Aufenthaltsort eines Teilchens genau bestimmen kann, aber nicht beide. Das drückt sich in Molekülen eben so aus, dass die Elektronen nicht auf einer fest definierten Bahn um den Kern sausen, sondern in einer Wolke, meint mal hier mal dort. So kam dann der Tag, der kommen musste, er fragte wieder nach der Farbe der Elektronen und ich fasste all meinen Mut zusammen und sagte einfach frech:
“blau!“ Siggi kriegte Schnappatmung und ich setzte dann nach:
„deshalb wissen sie Ja auch nie so ganz genau wo sie sind.“ Da fuhr Siggi sein Adrenalin wieder runter, er entspannte sich, einige Kommilitonen fingen an zu lachen und Siggi fing an, sich ein kleines bisschen zu freuen. Wohl weil er realisierte, dass seine Studenten immerhin die Unschärferelation begriffen hatten und somit seine Vorlesungen und Bemühungen uns etwas zu vermitteln, nicht so ganz umsonst waren.

Nicht vergessen werden sollte auch, dass der gute Siggi auch ein Mann der alten Schule war. So wurde man, hatte man seine Diplomarbeit und seinen Abschluss, wenn möglich mit guter Note, bei ihm gemacht, zu ihm nach Hause eingeladen. Da saß man da mit seiner Freundin oder Frau, meine Frau hatte schon unterschrieben, dass das Multiversum sie mir anvertraut hatte bei ihm und seiner Gattin auf dem Sofa. Zugegebenermaßen saß man bei seinem Professor etwas an der Sofakante, trank ein Glas Wein und knabberte ein paar Canapés und unterhielt sich. So war er halt, der Siggi.

PS: Eine Erfahrung die jeder abschließende Student irgendwann wohl macht kann man hier noch erwähnen. Mir war das damals nicht so ganz klar und somit kam es etwas überraschend. Da studiert man eine ganze Weile an einer Hochschule. Der Professor und sein Zweitprüfer nehmen die Diplomarbeit ab und dann muss man zur Abschlussprüfung. Da wackeln einem nochmal die Knie, weil die Drohung ist, das ganze Studium abzufragen. Kann also alle kommen. Es kam auch alles. Unterschiedliche Gebiete der Physik und Mathematik. Nachdem man das dann gemeistert hat, ist der Spuk vorbei und die Hochschule exmatrikuliert einen einfach. Mit dem Datum der Prüfung, war am 9. September 1987 einfach Feierabend. Keine Rührung, keine Tränen, keine Gemütlichkeit, die setzen einen einfach an die Luft!

Categories: 我的金瓶梅

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